Pestizide und Medikamente belasten immer stärker das Grundwasser. Studien des Umweltbundesamtes und des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) untermauern das. Auch im Landkreis Verden gibt es diese Bedrohung. Kläranlagen-Betreiber und der Bioland-Landesverband schlagen Alarm.
Stichwort Pestizide: Landesweit hatte der NLWKN
zwischen 2008 und 2013 die Grundwasserqualität geprüft und auf Pestizid-Rückstände getestet. Das Ergebnis: An 45 Prozent der Messstellen wurden Rückstände nachgewiesen. Auch im Landkreis Verden. Nach Erhebungen des Landesbetriebes lag der Wert hier bei einem Mikrogramm pro Liter. Der amtlich bestimmte Grenzwert für Pflanzenschutzmittel liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter.
Wo genau diese Werte im Landkreis Verden gemessen wurden, will der NLWKN nicht offenlegen. „Damit könnte man schließlich Rückschlüsse auf den Landwirt ziehen“, sagt die Sprecherin Herma Heyken. Auch Stefan Hamann, Geschäftsführer des Trinkwasserverbandes Verden, bestätigt, dass es einen Nachweis von Pestiziden im Grundwasser gibt. Allerdings liegen die Werte des Trinkwasserverbandes deutlich unter den Messergebnissen des NLWKN. „Wir haben an dem Wasserwerk in Langenberg und Wittkoppenberg einen Nachweis von Pflanzenschutzmitteln“, sagt Hamann. „Allerdings liegen die Messungen hier unter den Grenzwerten.“
Die abweichenden Zahlen könne er sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht erklären. „Ich kann nur sagen, dass unserer Werte deutlich niedriger sind als die der NLWKN“, so Hamann. Man werde der Diskrepanz aber weiter auf den Grund gehen. „Wichtig ist, dass es zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für das Trinkwasser im Landkreis Verden gegeben hat oder gibt.“
Alle drei Jahre würde das Grundwasser im Landkreis auf Pestizid-Rückstände untersucht. „Diese Untersuchungen sind gesetzlich vorgeschrieben“, sagt Hamann. Die letzte Untersuchung eines Brunnens habe es 2013 gegeben. „Das Grundwasser verändert sich nur sehr langsam, deshalb ist ein Abstand von drei Jahren durchaus angemessen“, so der Geschäftsführer.
Die Situation in Verden hält Hamann nicht für bedenklich. „Es ist aber natürlich auch unser Ansinnen, über das Thema zu debattieren und die Landwirtschaft dafür zu sensibilisieren.“ Im Landkreis Verden laufe die Zusammenarbeit mit den Landwirten allerdings schon seit Jahren sehr gut.
Das bestätigt auch Jörn Ehlers, Vorsitzender vom Landvolk Rotenburg-Verden. „Ich kenne die Werte für den Landkreis nicht genau, denke aber, dass die Pestizidbelastung bei uns kein allzu großes Problem ist.“ Grundsätzlich sei die Thematik ohnehin nicht neu. Schon seit vielen Jahren arbeite man gemeinsam mit dem Trinkwasserverband in einer Trinkwasserschutz-Kooperation zusammen. „Wir schauen hier gemeinsam kritisch nach, wo es möglicherweise Probleme gibt“, so Ehlers.
Bei den jetzt nachgewiesenen Rückständen handele es sich häufig um Mittel, die schon seit Jahren nicht mehr zugelassen seien. Es sei schließlich ein langjähriger Prozess, bis die Mittel ins Grundwasser gelangen und dort nachgewiesen werden können. Es handele sich bei den jetzigen Werten somit gewissermaßen um die „Fehler der Vergangenheit“. Klar sei jedoch auch, komplett ohne Rückstände könne man als Landwirt nicht arbeiten. „Wir arbeiten schließlich in der freien Natur und nicht im Reagenzglas“, so Ehlers. Wichtig sei es jedoch, nur zugelassene Pflanzenschutzmittel anzuwenden und sich dabei an alle Auflagen zu halten. „Ich bin aber der Auffassung, dass die Landwirte im Landkreis nicht gedankenlos mit Pflanzenschutzmitteln umgehen.“
Bioland fordert Konsequenzen
Konsequenzen bei der Zulassung und beim Einsatz von Pestiziden fordert indes der Bioland-Landesverband Niedersachsen/Bremen, der mit rund 500 Mitgliedsbetrieben größte Bio-Anbauverband Niedersachsens mit Sitz in Visselhövede (Kreis Rotenburg).
„Pestizide haben im Grundwasser nichts zu suchen. Die Messungen zeigen, wie sehr Pestizide in unserer Umwelt verbreitet sind und mit welchen Folgekosten der breite Pestizideinsatz in der Intensivlandwirtschaft verbunden ist“, stellt Geschäftsführer Harald Gabriel fest und fügt hinzu: „Pestizide gefährden unsere Gesundheit, beeinträchtigen die Artenvielfalt und machen Bauern abhängig von Chemiekonzernen.“ Der Einsatz von Pestiziden habe in den vergangenen Jahren zugenommen, so Gabriel, der sich auf Untersuchungen aus dem Zeitraum von 2002 bis 2012 beruft. In dieser Zeit sei der Umsatz an Pestizid-Wirkstoffen in Deutschland um ein Drittel von rund 34600 auf mehr als 45 000 Tonnen angestiegen, obwohl die eingesetzten Mittel immer wirksamer werden. Strengere gesetzliche Regelungen für den Pestizideinsatz und die Weiterentwicklung von Alternativen hält Harald Gabriel deshalb für überfällig.
Stichwort Medikamente: Ins Grundwasser gelangen derweil nicht nur Pestizide, sondern auch Medikamente, wie das Umweltbundesamt jüngst in Messungen nachgewiesen hat. Dass die Medikamente im Grundwasser ein Problem darstellen, kann Uwe Schmoecker, Betriebsleiter des Achimer Klärwerks, nur bestätigen.
So könnten die meisten Kläranlagen aufgrund ihrer technischen Standards die Rückstände von Medikamenten nicht herausfiltern. „Wir reinigen das Abwasser in drei Stufen – mechanisch, biologisch und chemisch“, erklärt der Achimer Klärwerkschef. Und dies reiche eben nicht aus, um alle Spuren von Antibiotika, Kosmetika und Reinigungsmitteln im Grundwasser zu beseitigen. Das Dilemma sei vom Menschen hausgemacht, betont Schmoecker. Schließlich landen Klopapier, Essensreste, Sand, Fäkalien und andere unappetitliche Dinge in der Kläranlage. Das Hauptproblem sieht Uwe Schmoecker darin, dass es keine Vorgaben oder gesetzlichen Bestimmungen auf Bundesebene gibt.
So würde es nach Meinung des Achimer Klärwerksleiters durchaus Sinn machen, den normalen Standard der Anlagen mit ihren drei Reinigungsstufen um eine vierte zu erweitern. Doch dies sei mit gewaltigen Kosten verbunden. Als vierte Reinigungsstufe würde sich die sogenannte Ultrainfiltration eignen. Es ist ein Filtrationsverfahren aus dem Bereich der Membrantechnik, das immer häufiger in der Abwasserbehandlung eingesetzt wird, weil es vor allem biologisch schwer abbaubare Substanzen wie Medikamente bekämpft.
Doch in diesem Fall sei der Gesetzgeber gefragt, er müsse die Voraussetzungen schaffen, so Uwe Schmoecker. In die gleiche Kerbe schlägt auch Thomas Holzmann. Der Vizepräsident des Umweltbundesamtes fordert jetzt einen festen Grenzwert für Tierarzneimittel.
Langjährige Studie
◼ Landesweit hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) für seine Studie Messungen des Grundwassers vorgenommen. Diese fanden in der Zeit zwischen den Jahren 2008 und 2013 statt. An 45 Prozent der Messstellen wurden Pestizid-Rückstände gemessen, allerdings wurden nur an zehn von insgesamt 529 Messstellen die zulässigen Grenzwerte überschritten. An elf Prozent wurden jedoch sogar giftige Wirkstoffe nachgewiesen. Betroffen von Pestizid-Rückständen ist vor allem das Grundwasser in Anbauregionen für Rüben, Mais und Raps.