Er lebt seit einem Vierteljahrhundert im Kreisgebiet und hat das Ökologische Zentrum in Verden mit aufgebaut. Seit zehn Jahren sitzt er nun schon im Europäischen Parlament. Bei der Europawahl am Sonntag, 26. Mai, tritt er gemeinsam mit Ska Keller als Spitzenkandidat der deutschen Bündnisgrünen an. Die Rede ist von Sven Giegold. Der 49-jährige Familienvater hat sich nun beim Europa-Projekttag an den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Dauelsen den Fragen der Schüler gestellt. Dass die Jugendlichen über eine große Europa-Kompetenz verfügen, zeigte sich nicht nur bei der Präsentation der Ergebnisse aus den einzelnen Workshops, sondern auch bei der Verleihung der Europässe durch den Parlamentarier. Insgesamt zehn Schüler aus den Jahrgangsstufen 11 und 12 hatten im vergangenen Jahr ein zweiwöchiges Praktikum in Verdens französischer Partnerstadt Saumur absolviert. „Der Europass öffnet viele Türen“, freute sich Lehrerin Silke Garms über den internationalen Einsatz der jungen Menschen. Auch Sven Giegold lobte das Engagement der BBS für Europa. Nicht umsonst will die Bildungseinrichtung nun auch ganz offiziell Europa-Schule werden. „Der Antrag ist bereits gestellt“, erläuterte der neue Schulleiter Manfred Runge.
Anders als in der europa-affinen Berufschule gibt es mittlerweile auch viele Europa-Kritiker auf dem Kontinent. Giegold hat für diese anti-europäische Haltung absolut kein Verständnis: „Im globalen Vergleich geht es uns in Europa und in Verden noch ziemlich gut, weil wir bereits seit über 70 Jahren gemeinsam in Frieden leben.“ Unter dem donnernden Applaus der Schüler sagte er im mit Länderflaggen dekorierten Forum der BBS: „Wer dies geringschätzt, sollte einmal in den Geschichtsbüchern oder auf den Kriegsgräberfriedhöfen nachschauen.“
Wettbewerb im digitalen Raum
Giegold, Mitglied des Fachausschusses für Wirtschaft und Währung, nutzte seinen Auftritt in Verden für eine Generalabrechnung mit den großen Digitalkonzernen aus dem Ausland. „Sie erwirtschaften Gewinne in Milliardenhöhe und müssen darauf keine Steuern bezahlen.“ Das Mitglied der Ökopartei prangerte den „ungleichen Wettbewerb im digitalen Raum“ an. Im Vergleich zu den Verdener Buchhandlungen müsse ein Internetriese wie Amazon nur einen Bruchteil an Steuern bezahlen. Bis vor fünf Jahren sei es sogar lediglich die luxemburgische Umsatzsteuer gewesen. Er habe sich dafür eingesetzt, dass der Online-Händler unter die deutsche Umsatzsteuer falle.
Besonders interessierten sich die Schüler für das Thema Urheberrecht. „Bei der Frage nach dem Urheberrecht geht es um die digitale Ökonomie“, erklärte der grüne Spitzenkandidat zur Europawahl. Zeitungsartikel, Musikstücke oder Filmbeiträge müsste gerade auch im digitalen Raum entsprechend geschützt werden. Die Schüler wollten wissen, warum die umstrittenen Upload-Filter trotz massiven Protests aus der Bevölkerung durchgesetzt werden konnten – ob dies nicht im Umkehrschluss auch zu Politikverdrossenheit führe. In anderen Staaten, wie beispielsweise dem von der Wirtschaftskrise gebeutelten Frankreich, spielten Themen wie Urheberrecht oder Klimaschutz nicht so eine entscheidende Rolle wie in Deutschland, erklärte der Grüne. Er appellierte an die Schüler, Europa am Wahltag nicht denen zu überlassen, die es kaputt reden, sondern denen, die es verteidigen.
In der Woche vor der Europawahl simulieren die BBS-Schüler bei der sogenannten Juniorwahl den Urnengang. Über 2000 Schulen nehmen daran europaweit teil. Im Gegensatz zur Bundestagswahl können die Wähler am 26. Mai nur eine Stimme für eine Partei oder sonstige politische Vereinigung abgeben. Alle Schüler, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind, dürfen dann ihr Kreuzchen auf dem Stimmzettel machen.