Der Kirchlintler Rübenmarkt gehört zu den traditionsreichsten Märkten in der Region. Bereits zum 358. Mal geht er am vierten September-Wochenende, 21. und 22., rund um den Lintler Krug und den Scharnhusenplatz über die Bühne. Eingeläutet wurde das herbstliche Spektakel in der Heidegemeinde stets vom sogenannten Pingelheini, dem Röbenmarkt-Mann. „Läuten in Kirchlinteln die Glocken laut und stark, dann beginnt der Rübenmarkt“, verkündete das uniformierte Männchen mit der Pingel und dem Schwert. Holzbildhauerin Ragna Reusch aus Ahausen setzt dem Markt-Maskottchen in diesen Tagen ein Denkmal. Am Rande des Scharnhusenplatzes, parallel zur Hauptstraße, greift sie noch bis Marktbeginn jeden Vormittag zu ihrem liebsten Utensil – der Kettensäge. Aus einem Eichenstamm schnitzt sie dort den Röbenmarkt-Mann, arbeitet sich Schicht für Schicht durch das frische Holz.
Die entstehende Holzskulptur gehört dabei zu den Elementen, die den zentralen Platz im Kernort künftig aufhübschen sollen. „Ich schnitze schon seit meiner Kindheit gerne figürlich. Im Kleinen habe ich mich auf das Bearbeiten von Zahnstochern spezialisiert, im Großen hauptsächlich auf die Arbeit mit der Kettensäge“, erzählt die diplomierte Designerin aus dem Landkreis Rotenburg. Für einen massigen Eichenstamm bedarf es eben schon mehr als einem winzigen Taschenmesser – da kämpft, pardon sägt, Ragna Reusch mit dem rückschlagsärmeren spitzen Schwert. So wie man es aus der Baumpflege kennt.
Platz wird aufgehübscht
Weil die Künstlerin fast jedes Mal beim Spektakel Kunst, Kultur, Kirchlinteln mitwirkt, kannten sie die Mitglieder des Gesprächskreises Lintler Krug bereits. Die Runde hat sich der Neugestaltung des Scharnhusenplatzes im Herzen von Kirchlinteln verschrieben. Neben besagtem Klingelmann haben sie bereits mehrere Verschönerungsideen in der Schublade, die allerdings noch auf ihre Umsetzung warten. Als da wären: „Ein Blumenbeet, bepflanzt mit Blausternen, ein weiteres Eingangstor in Rot sowie ein Kunstwerk aus dem Müll, der hier bislang auf dem Platz eingesammelt wurde“, zählt Karen Rodel vom Gesprächskreis auf. Da neben dem Pingelheini-Stamm noch ein weiterer auf Verwendung wartet, ist angedacht, ihn langfristig mit dem Schriftzug „Kirchlinteln“ zu versehen. Außerdem liebäugeln die Verantwortlichen damit, eines Tages Kunstwerke in die umliegenden Eichen zu hängen. Zudem steht noch eine etwaige Umbenennung des Scharnhusenplatzes im Raum.
Zu Beginn hat Ragna Reusch das Überbleibsel des gefällten Baumes jedenfalls erst einmal von allen Seiten fotografiert. „Kirchlintelns Bürgermeister Wolfgang Rodewald hat damals extra seinen Laptop an den Stamm gehalten, damit ich sehe, wie hoch ich mit der Kettensäge komme“, erinnert sich die Holzbildhauerin lachend. Anschließend habe sie die Zeichnung von ihrem Tabletcomputer auf den Baum übertragen und mit Ölkreide Markierungen gesetzt, erläutert die Ahauserin die weiteren Arbeitsschritte. Nach Vorlage zu arbeiten, sei für sie übrigens weitaus schwieriger, als sich etwas auszudenken, gesteht Ragna Reusch. Ist die Skulptur schließlich fertig, wird letztendlich mit witterungsbeständiger Acrylfarbe angemalt und abschließend geölt. Wird der Röbenmarkt-Mann denn auch wirklich pünktlich bis zum Marktbeginn an diesem Freitagabend (ab 20 Uhr Freibier-Anstich) fertig? „Keine Sorge, Douglasie lässt sich noch schwerer schnitzen als Eiche und außerdem hat meine Kettensäge ja auch ziemlich scharfe Zähne“, versichert die Ahauserin.
Neben dem Flohmarkt am Sonnabendmorgen (ab 8 Uhr) und dem plattdeutschen Katerfrühstück mit den Markt-Urgesteinen Dörte und Fred (ab 10.30 Uhr) gehört natürlich auch wieder der traditionelle Gottesdienst im Lintler Krug (ab 14.30 Uhr) zur fünften Jahreszeit im Heideort. Mit der großen Zeltfete (Sparstunde von 21 bis 22 Uhr) klingt der insgesamt 358. Rübenmarkt dann schließlich aus.
„Bis zum Rübenmarkt bin ich jeden Tag ab Elf mit meiner Kettensäge auf dem Scharnhusenplatz. Interessierte können gerne Fragen stellen“, sagt die Kreisrotenburger Künstlerin, schränkt allerdings ein: „Wenn ich meinen Gehörschutz trage, höre ich nebenbei meistens Musik und verstehe sonst nichts.“