Verden. Störtebeker ist ein ureigenes Verdener Thema. Spätestens bei der Lätare-Spende am Montag, 23. März, taucht der Seeräuber wieder in der Stadt auf und verteilt Brot und Heringe. Dieser Geschichte haben sich nun auch die Kreativen aus der inklusiven Arbeitsgruppe Malen und Gestalten angenommen. Ihre Werke stellen sie ab Sonntag, 12. Januar, im Müllerhaus Brunsbrock aus.
Sara Lührs hat sich für ein Piratenschiff als Motiv entschieden. Die junge Frau mit Down-Syndrom malt am liebsten mit Acrylfarbe. „Das Angenehme daran ist, dass diese Farbe schnell trocknet, und das Ergebnis rasch sichtbar wird“, erzählt Dörte Pertiet. Die bekannte Verdener Künstlerin leitet die inklusive Malgruppe gemeinsam mit der ehemaligen Studienrätin Jutta Liebetruth. Dörte Pertiet interpretiert das von ihr gemalte Fantasie-Bild so: „Das ist Störtebekers große Liebe, die nur noch keiner kennt.“
Menschen mit Down-Syndrom wie Fabian Müller haben nun einmal ein Bauteilchen zu viel in ihren Körperzellen. Das Chromosom mit der Nummer 21 ist bei ihnen gleich dreifach vorhanden. Dieses winzig kleine Bauteilchen sorgt dafür, dass manche Dinge in seinem Körper ein wenig anders funktionieren.
Besondere Atmosphäre
Das unbeschwerte Miteinander von Menschen mit und ohne Handicap findet die Verdenerin Monika Steinke gerade so charmant. „Hier sitzen viele Menschen mit ganz tollen Begabungen“, schwärmt sie von der besonderen Atmosphäre im Kunstraum. Steinke hat sich eigens in der Bibliothek über den Seeräuber informiert. Der soll ja der Sage nach möglicherweise in Halsmühlen bei Verden das Licht der Welt erblickt haben. Ob er nun wirklich einen Humpen Bier in einem Zug leeren konnte, sei nun einmal dahingestellt. Jedenfalls leitet sich der plattdeutsche Name Störtebeker von „Stürz den Becher ab“. Gemeinsam mit seinem Kumpanen Goedeke Michels betrieb der Rotbart im Grunde genommen Seeräuberei in Nord- und Ostsee und machte der Legende nach reiche Beute. Seine Vitalienbrüder sollen sogar die Schiffe der Hanse überfallen haben.
Die Mitglieder der inklusiven Arbeitsgruppe haben den 1401 auf dem Hamburger Grasbrook hingerichteten Mann ganz unterschiedlich dargestellt – mal als Schwertkämpfer und mal als freiheitsliebender Vogel, der sich einfach nicht einsperren lässt. „Das Tolle ist, dass wir hier in der Arbeitsgruppe unserer Kreativität freien Lauf lassen können“, erzählt ein Elftklässler aus dem Gymnasium am Wall. Das sieht auch Stefanie Fischer aus der neunten Klasse so.
Bei der inklusiven Arbeitsgruppe Malen und Gestalten handelt es sich um ein reguläres Angebot an der Schule. Sie besteht bereits seit 2011 und wird vom in Kirchlinteln ansässigen Arbeitskreis Down-Syndrom unterstützt. Die Kreativen haben unter anderem schon in der Bonner Bundeskunsthalle oder dem Sozialministerium in Hannover ausgestellt. Einmal im Jahr geht Jutta Liebetruth mit ihren Künstlern auf große Exkursion. Sei es nun die Picasso-Ausstellung im Museum Berggruen oder die Kunst im Bundestag – die Liebe zur Malerei verbindet nun einmal Menschen, egal, ob mit oder ohne Beeinträchtigung.
„Wenn Störtebeker noch leben würde, würde er bestimmt in Seenot geratene Menschen aus dem Mittelmeer retten“, mutmaßt Jutta Liebetruth. Nicht umsonst waren Störtebeker und Goedeke Michels in der Volkssage äußerst beliebt. Sie sollen zwar hart gewesen sein, dafür aber umso gerechter, eben richtige Liekedeeler. Die Lätare-Spende, das Verteilen von Brot und Heringen an die Bedürftigen, ist das Vermächtnis des als Robin Hood der Armen glorifizierten Seeräubers.
Die vom Kulturkreis Lintler Geest präsentierte Kunst-Ausstellung „Störtebeker“ wird am Sonntag, 12. Januar, um 15 Uhr im Müllerhaus Brunsbrock, Schmomühlener Straße 9, eröffnet. Pia Müller und Luisa Winkelmann von der Vielharmonie Kirchlinteln untermalen die Vernissage musikalisch. Die Schau ist bis zum 9. Februar jeweils sonntags in der Zeit von 14.30 bis 17 Uhr im Müllerhaus zu sehen.