Wenn der Tod Leben rettet Organspenden bleiben Ausnahme in der Aller-Weser-Klinik

Die Zahl der Organspender ist in Deutschland seit Jahren zu niedrig, um den Bedarf zu decken. Der bundesweite Tag der Organspende am 3. Juni soll mehr Menschen motivieren, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
02.06.2023, 14:05 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Organspenden bleiben Ausnahme in der Aller-Weser-Klinik
Von Lina Wentzlaff

Organtransplantationen gehören heute zu den Standardverfahren der medizinischen Versorgung und ermöglichen schwerkranken Menschen ein neues Leben. Rund 9000 Menschen haben im Jahr 2022 in Deutschland auf ein Spenderorgan gewartet. Allerdings gab es zugleich nur rund 900 Spenderinnen und Spender, die postmortal – also nach dem Tod – gespendet haben.

„Die Organe fehlen, insbesondere in Deutschland“, betont Henning Havorka. Er ist leitender Arzt und Transplantationsbeauftragter in der Aller-Weser-Klinik. Im europäischen Vergleich rangiert die Bundesrepublik bei den Spenden weit hinten. „Das liegt auch daran, dass hier die sogenannte Zustimmungslösung gilt“, erklärt Havorka. Kommt in vielen anderen europäischen Ländern grundsätzlich jeder Mensch als Organspender infrage, – es sei denn, er widerspricht zu Lebzeiten – ist eine Organspende in Deutschland nur möglich, wenn sich der Spender ausdrücklich dafür entschieden hat oder wenn die Angehörigen zustimmen.

Eigenen Wille festhalten

Welche Organe Menschen in Deutschland spenden wollen, können sie zu Lebzeiten im Organspendeausweis festlegen. Doch nur rund 14 Prozent der Deutschen haben nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) ihre Haltung zur Organspende schriftlich festgehalten, während sich in Umfragen der Bundesregierung mehr als 80 Prozent der Bevölkerung positiv zur Organspende äußern. „Viel wichtiger als ein Organspenderausweis zu besitzen, ist aber, bereits zu Lebzeiten das Gespräch mit der eigenen Familie über das Thema Organspende zu führen“, betont Havorka. Denn haben Verstorbene ihren Wunsch für oder gegen eine Organspende nicht in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung schriftlich festgehalten, entscheiden die nächsten Angehörigen.

Viele Angehörige hätten allerdings noch immer die unbegründete Sorge, dass der sterbende Patient als potenzieller Spender im Ernstfall nicht ausreichend behandelt werde, beobachtet Havorka. Dabei dürfen Organe in Deutschland nur dann entnommen werden, wenn der Hirntod des Spenders zweifelsfrei festgestellt wurde. „Der Hirntod ist der direkte Tod, der Patient ist damit verstorben. Auch der Totenschein wird dann ausgefüllt – unabhängig davon, ob eine Organspende stattfindet oder nicht“, erklärt sein Kollege Malte Morisse. Diagnostiziert werde dieser von einem unabhängigen Ärzte-Team – Neurologen und Neurochirurgen, die weder in die Explantation noch in die spätere Transplantation des Spenderorgans involviert seien.

Gespräche mit Angehörigen

Parallel dazu beginnen die Gespräche mit den Angehörigen. „Wir informieren die Familien erst einmal darüber, dass der Patient verstorben ist“, berichtet Havorka. Wann das Thema Organspende im Gespräch mit den Angehörigen thematisiert wird, hänge auch immer vom Fall ab. „Es ist ein hochsensibles Thema“, betonen die Mediziner aus dem Landkreis Verden. Wichtig sei dabei, empathisch auf die Familien zuzugehen, über die verschiedenen Aspekte einer möglichen Organspende zu informieren und den Willen des Verstorbenen gemeinsam mit den Angehörigen zu ermitteln. "Das heißt aber auch nicht, dass die Entnahme wirklich zustande kommt", erklärt Morisse. So sei das im Durchschnitt in der Aller-Weser-Klinik nur alle fünf Jahre der Fall.

Gespendet werden können Herz, Lunge, Leber, Nieren, Pankreas, Darm sowie Gewebe. Eine Altersgrenze für die Organspende gibt es nicht, erklärt Justine Wawroschek von der DSO. Entscheidend sind die aktuellen Organfunktionen und Vorerkrankungen. Im hohen Lebensalter ist vor allem die Entnahme der Leber, aber auch die der Nieren möglich. Laut Wawroschek war die bislang älteste Organspenderin in Deutschland 98 Jahre alt.

Über den Tod hinaus

Für die Entnahme müssen die Funktionen der Organe über den Tod hinaus erhalten werden. „Das ist auch die große psychische Belastung für das Personal: Sie müssen einen hirntoten Patienten weiterbehandeln“, weiß Havorka. Dazu gehören unter anderem die Beatmung, Pflege und Vergabe von notwendigen Medikamenten. „Das wird nicht mehr für den Verstorbenen gemacht, sondern es ist eine vorgezogene Therapie für den Empfänger der Organe“, erklärt Wawroschek. Parallel finden spezifische Untersuchungen statt.

In dem Prozess arbeitet die Aller-Weser-Klinik eng mit der DSO und den Transplantationszentren zusammen. "Es ist ein unglaublicher organisatorischer Aufwand – nicht nur bei uns, sondern bei allen Beteiligten", betont Havorka. Doch der Aufwand lohne sich, sind sich die Mediziner und die Expertin der DSO einig. Schließlich bedeute jedes Spenderorgan für einen schwerkranken Patienten auf der Warteliste eine neue Lebenschance. "Es kommen täglich mehr Menschen dazu. Und man muss nicht alt sein, um ein Organ zu brauchen", betont Wawroschek.

Zur Sache

Wissenswertes zum Organspendeausweis

Der Organspendeausweis ist eine Möglichkeit, die Entscheidung für oder gegen die Organspende zu dokumentieren. Neben der Entnahme von Organen wird mit dem Ausweis auch die Entscheidung zur Gewebespende dokumentiert. Die ausgefüllten Informationen sollten sich aber auf gar keinen Fall widersprechen. Zudem darf auch die Unterschrift nicht fehlen - erst sie macht den Ausweis rechtlich gültig. Der ausgefüllte Ausweis wandert dann am besten ins Portemonnaie, sodass man ihn im Alltag bei sich trägt.

Der Organspendeausweis kann jederzeit geändert oder vernichtet werden. Statt des alten Ausweises kann dann ein neuer auch mit neuem Inhalt ausgefüllt werden. Eine regelmäßige Erneuerung des Organspendeausweises ist jedoch nicht nötig, betont die DSO.

Bei vielen Apotheken, Hausärzten, Krankenhäusern und bei den Krankenkassen liegen Organspendeausweise aus. Interessierte bekommen die kleine Karte aber auch kostenlos im Internet unter www.organspende-info.de bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Legt man nicht so viel Wert auf ein festes Kärtchen, lädt man sich den Organspendeausweis dort einfach als PDF-Dokument zum Ausdrucken herunter.

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