Metteur, Klischee, Mater, Kalander – Begriffe, die heute wie böhmische Dörfer klingen, waren zu Zeiten des Bleisatzes gängige Vokabeln in der Drucker- und Setzer-Szene. Mit dem Siegeszug des Foto- oder Lichtsatzes hat sich die Branche dann komplett gewandelt. Der letzte in Bleisatz gedruckte WESER-KURIER aus dem Jahr 1984 zählt zu den Exponaten der Museumsdruckerei Hoya, die an den Wochenenden, 3. und 4. September sowie 10. und 11. September, jeweils von 11 bis 17 Uhr an ihrem neuen Standort in der alten Molkerei an der Lindenallee 2 in Hoya wiedereröffnet wird.
Die Besucherinnen und Besucher können am ersten und zweiten September-Wochenende kleine Texte setzen und auf historischen Druckpressen wie zu Gutenbergs Zeiten drucken. Mit einer Linotype-Setzmaschine wird das Gießen von Bleisatz vorgeführt. Parallel dazu stellt Künstler Karl Friedrich Hacker seine Linoldrucke aus.
Stichwort letzter in Bleisatz gedruckter WESER-KURIER: Die Gründer des Druckereimuseums, Sylke und Michael Linke, hüten den rund sechs Kilogramm schweren gusseisernen Zylinder bereits seit über einer Dekade wie ihren Augapfel. Nein, bei dieser Art von Zylinder handelt es sich weder um einen Chapeau Claque noch um einen geometrischen Körper, sondern vielmehr um den sogenannten Gegendruck. Walzt ihn Sylke Linke heute mit Druckerschwärze ein, kommt noch immer wie von Zauberhand die Titelseite vom 9. Juli 1984 zum Vorschein. "Honecker will mit Kohl über Raketenabbau reden" titelte die Zeitung damals.
Immaterielles Kulturerbe
Von den "Jüngern der Schwarzen Kunst", also den Druckenden, wurden Gutenbergs Techniken immer weiter entwickelt und verfeinert, jedoch in den folgenden Jahrhunderten nicht mehr grundlegend verändert. Um die Revolution in der Wissensvermittlung, den Buchdruck, entsprechend zu würdigen, wurden 2018 die traditionellen Drucktechniken von der deutschen Unesco-Kommission zum immateriellen Kulturerbe erklärt.
Trifft sich Michael Linke heute mit seinen „Jüngern" in der Hoyaer Museumsdruckerei, herrscht jeweils eine strenge Kleiderordnung. „Der Hausmeister Krause-Kittel ist Pflicht“, betont der pensionierte Pädagoge und Sohn einer Schreibmaschinenlehrerin. In jenen grauen Kitteln haben zu Beginn der Achtziger auch noch die Maschinensetzer wie Hermann Meyer aus Kirchlinteln beim WESER-KURIER ihren Arbeitsalltag verbracht. Damit sie fehlerfrei setzen konnten, mussten sie in Zeiten von Winkelhaken und Setzkasten natürlich äußerst gewissenhaft arbeiten. Schließlich sollte sich der Fehlerteufel gar nicht erst einschleichen.
In mehreren Schubladen hortet Michael Linke in der Museumsdruckerei heute seine große Klischee-Sammlung. Dahinter verbergen sich keineswegs Geschlechter-Stereotype, sondern nach Themengebieten sortierte Druckstöcke. Falsche Buchstaben in einem Setzkasten wurden im Bleisatz übrigens Zwiebelfische genannt. In Anlehnung daran wurde 2020 der gemeinnützige Verein "Museumsdruckerei Hoya – Zwiebelfisch" ins Leben gerufen, der das Druckereimuseum betreibt. Sylke und Michael Linke haben ihre private Sammlung vor einiger Zeit der Stadt Hoya übereignet, die dem Verein im Gegenzug die Räumlichkeiten in der alten Molkerei zur Verfügung stellt.
Ausgleich zur digitalen Welt
In den historischen Räumlichkeiten werden inzwischen also im Hochdruckverfahren Plakate, Einladungen, Karten und mehr auf alten Geräten gedruckt. Der Fantasie und der eigenen Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Die Arbeit mit Schulklassen und Gruppen, sprich die Museumspädagogik, bildet einen der Schwerpunkte der Vereinsarbeit. "Drucken ist für Menschen aller Altersstufen eine Bereicherung", sind die Vereinsmitglieder, darunter viele Lehrer, überzeugt. Michael Linke freut sich immer, wenn er regelmäßig Schulklassen auf seinem „typografischen Abenteuerspielplatz“ – wie er sein nostalgisches Kleinod liebevoll nennt – zu Gast hat. „Das, was wir hier machen, ist in der heutigen Zeit natürlich retro“, erzählt er schmunzelnd. "Aber ein idealer Ausgleich zu unserer durchdigitalisierten Welt", betonen seine "Jünger".