Die Niedersächsischen Musiktage der Sparkassenstiftung gibt es nicht mehr. Das 1987 gegründete flächengrößte Festival Deutschlands mit 40 bis 50 Konzerten in vier Wochen hat 34 Jahre lang das kulturelle Gesicht des Landes mit geprägt und dabei auch große Kultur in den ländlichen Raum gebracht. Ob das neue Format "Festival aufm Platz" über diesen Verlust hinwegtrösten kann? Im Zuge dieser Veranstaltungsreihe werden am 24. Juni ab 18 Uhr das Signum Saxophone Quartet und die Poetry-Slammerin Leticia Wahl auf dem Rathausplatz in Verden zu Gast sein.
Es ging schon im November vergangenen Jahres durch die Presse: Die Niedersächsische Sparkassenstiftung und die VGH Stiftung wollen, wie Stiftungsdirektor Johannes Janssen erklärte, künftig nicht mehr als Veranstalter, sondern nur noch als Förderer in Erscheinung treten. Man werde Abstand von eigenen Veranstaltungen nehmen, "weil sie einfach enorme Ressourcen verbrauchen".
Auch das alljährliche Literaturfest Niedersachsen ist damit Vergangenheit. Zum Ausgleich gibt es in diesem Jahr seit dem 17. Juni mit dem "Festival aufm Platz" über die ganze Region verteilt verschiedene Veranstaltungen in einer Kombination aus Literatur und Musik, umsonst und draußen. Dieses Open-Air-Format der Sparkassenstiftung gibt es erst seit 2020, als durch Corona ein Großteil der geplanten Veranstaltungen ausfallen musste.
Neues Format bietet Chancen
"Natürlich ist es schade, dass es die Niedersächsischen Musiktage in dieser Form nicht mehr geben wird", findet auch die Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der Kreissparkasse Verden, Beate Patolla, die für die Kulturförderung vor Ort verantwortlich ist. "Aber ich bin sicher, dass sich mit den neuen Formaten, die nun in den nächsten Jahren folgen werden, auch neue Chancen verbinden." Und dass die Musikförderung nun ganz im Vordergrund stehen solle, sei doch für die Organisatoren von Kulturveranstaltungen und Festivals in der Region eine sehr gute Nachricht. Bereits in diesem Jahr habe man unter anderem für die Domfestspiele und für das Domplatz-Festival tiefer in den Fördertopf gegriffen. Die Förderung vieler weiterer Projekte in den kommenden Jahren werde gerade besprochen.
Angesichts der mehr als 30-jährigen Geschichte großer Musikevents mit überragenden Interpreten und Ensembles aus verschiedenen Genres dürfte die Einstellung des Festivals dennoch ein herber Verlust für die Region bleiben. Klassische Konzerte mit Weltklasse-Interpreten wie der Academy of St. Martin in the Fields, Alfred Brendel, dem Artemis Quartett, Concerto Köln, Thomas Quasthoff, Isabelle Faust, Igor Levit, Sabine Meyer oder Tanja Tetzlaff und Jazz und Crossover mit der NDR-Bigband, Giora Feidmann, Nils Landgren, Till Brönner oder den King's Singers werden ebenso wie die vielen Literaturfest-Angebote in der kulturellen Landschaft Niedersachsens fehlen.
Attraktiv und niedrigschwellig
"Wir sind sehr dankbar für alles, was wir hier an Musik und Literatur erleben durften", wagt Patolla einen Rückblick auf 34 Jahre Kulturangebote der Sparkassenstiftung und der VGH Stiftung. Doch nun hoffe sie, dass das Publikum auch für die neuen Ideen und Angebote aufgeschlossen sei. Von der Veranstaltungsreihe "Festival aufm Platz" verspricht sie sich viel: Das sei zugleich ein qualitativ attraktives wie niedrigschwelliges Angebot. "Man kann einfach hinkommen, ein Weilchen zuhören und wieder gehen oder die ganze Zeit dabeibleiben. Jeder ist eingeladen. Das Angebot ist kostenlos."
Das Signum Saxophone Quartet sieht sich stilistisch zum einen "irgendwo zwischen Fab Four und Bad Guys", hat aber zum anderen auch Klassik, beispielsweise von Albinoni, Ravel oder Ligeti im Gepäck, alles dargeboten in der besonderen Interpretation eines swingenden Bläsersounds. Seit 2006 musizieren die vier Saxophonisten Bla? Kemperle, Hayrapet Arakelyan, Alan Lu?ar und Guerino Bellarosa zusammen und haben schon Konzerte mit Musikern und Musikerinnen wie Tanja Tetzlaff oder Daniel Hope gespielt. Am 24. Juni duellieren sich die vier Saxofon-Virtuosen auf dem Rathausplatz in Verden mit der Wortakrobatin Leticia Wahl. Die bekannte Poetry-Slammerin ist gerne als Reisepoetin unterwegs, leitet Workshops und tritt auch als Moderatorin und Schauspielerin in Erscheinung. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.