In St. Johannis wird es wieder richtig munter: 20 Kinder von sechs bis zwölf Jahren singen, tanzen und spielen zurzeit jeden Dienstag im Verdener Stadtkirchenzentrum. Nach langer Corona-Pause kann die Johannisgemeinde sich endlich wieder auf einen großen Auftritt des Kinderchores freuen. Am Sonntag, 4. Juli, präsentieren Christiane Artisi und ihr jüngster Chor das Bibel-Musical "Talente, Talente".
Aufgeregt, schüchtern, quietschfidel oder auch ganz cool und lässig kommen die Kinder zur Probe herbei. Als erstes singt Artisi mit ihnen ein Aufwärm-Lied. "Fasst euch an den Händen an", heißt es darin, und so wird es auch gemacht. Sie tanzen im Kreis und singen mit kräftigen, klaren Stimmen, folgen dabei einer kleinen Choreografie, und auch die Jüngsten und Zaghaftesten tauen sichtlich auf. Nun geht es ganz hoch nach oben: Mit "Fu-fu-fu" lässt Artisi, am Keyboard die dazugehörigen Akkorde intonierend, Ton für Ton die Stimmen immer höher klettern: Die Arme nach oben werfend, folgen die Kinder unbeschwert den angesungenen Tönen, bis sie glockenhell und sauber ganz oben im Sopran angekommen sind.
Und schon beginnt die Probenarbeit. Die Kinder hatten Hausaufgaben auf: Texte lernen, erste Spielszenen einstudieren, ein neues Lied in der Whats-App-Gruppe abhören. Und wer glaubt, dass solche freiwilligen Aufgaben heutigen Grundschulkindern nicht zuzumuten sind, hat sich mächtig getäuscht: Mit Feuereifer führen sie vor, was sie zu Hause gelernt haben. Die Texte sitzen wie am Schnürchen, und die bei der vorangegangenen Probe einstudierten Gesten und Bewegungen sind meistens sofort präsent.
Da geht die Tür auf. Meta und Flora schauen ganz verlegen durch den Türspalt: Sie haben eine Ewigkeit im Stau gesteckt und sind zu spät dran. Macht doch nichts, sie können ja nichts dafür. Artisi lässt sie ihre Plätze einnehmen, und kaum eine Minute später haben sich die Mädchen perfekt hineingefunden. Wie alle anderen wissen sie genau, was sie tun müssen.
Etwas Besonderes für die Kinder
Ein Musical zu singen, das ist für die Kinder etwas ganz Großes. Die sechsjährige Zoe ist schon voller Vorfreude. "Ich war mit Mama schon bei vielen Musicals und habe gesehen, wie das ist. Jetzt freue ich mich, dass ich sowas auch mal machen kann. Das habe ich mir schon immer gewünscht", erzählt sie.
Yara findet es schön, mit anderen zu singen und Spaß zu haben. "Aber am aller schönsten ist es, dass wir jetzt eine richtige Aufführung machen", sagt die Achtjährige voller Vorfreude.

Auf dem Keyboard begleitet Chor-Leiterin Christiane Artisis die junge Sangesschar.
Marielle (10) hat sich für die Hauptrolle der reichen Herrin gemeldet, deren Name sich ganz zufällig auf "Talente" reimt. Sie genießt ihre wichtige Aufgabe: "Das finde ich supertoll, dass ich die Jente spielen kann." Für jede Rolle gibt es sicherheitshalber eine Vertretung. "Ich finde es cool, dass ich die Zweitbesetzung bin", sagt Madeleine, die schon jedes Wort der Jente mitsprechen kann. "Und den Chor finde ich auch so toll. Ich liebe es, zu singen."
In der Corona-Zeit konnte der Kinderchor überhaupt nicht auftreten, und aus einigen der Kinder sind während dreier langer Jahre Jugendliche geworden. Deshalb sind die meisten der kleinen Musical-Darsteller ganz neu dabei.
Jungen sind Mangelware
Ina (7) war mit ihrer Mutter bei einer Aufführung des Jungen Chores in St. Johannis und war sofort begeistert: "Ich habe gesagt, das möchte ich auch machen!" Man sieht ihr die Freude am gemeinsamen Singen so richtig an. Auch Lilly (10) ist neu im Chor. "Ich habe das erstmal getestet und fand es schön", sagt sie, "und als ich gehört habe, dass wir ein Musical machen, habe ich meine Freundin Luzie gefragt, ob sie mitmachen will". Luzie (10) wollte, und auch ihr macht das einen Riesenspaß. Sie weiß jetzt schon genau: "Wenn das Musical vorbei ist, mache ich auf jeden Fall weiter." Und gemeinsam geht ja sowieso alles besser: "Meine Freundinnen Hanne und Annike sind im Kinderchor, und da wollte ich auch gerne mitmachen", sagt die siebenjährige Marlene. Philipp (7) hat es da nicht ganz so leicht. Er ist zurzeit der einzige Junge im Chor. Seine Oma hatte in der Zeitung vom neuen Musical gelesen und ihn hergebracht. "Das Musical mache ich auf jeden Fall mit", sagt er. "Aber dann wünsche ich mir, dass noch mehr Jungen in den Chor kommen."
Die zehnjährige Emily ist ein Chor-Profi: Sie singt am Domgymnasium sogar im Chor Nightingales. "Aber diesen Chor mag ich auch so gern und möchte auch nach dem Musical dabeibleiben", sagt sie. Meta (9) kann genau erklären, was sie hier besonders gut findet: "Mir macht es so viel Spaß, weil Frau Artisi immer so freundlich ist, aber trotzdem ganz ernsthaft mit uns probt."
Leonie Wietbrock zählt zu denen, die aus dem Kinderchor "herausgewachsen" sind und singt seit Kurzem im Jungen Chor von St. Johannis.
"Ich singe nämlich für mein Leben gern", erklärt sie. Doch den Kinderchor konnte sie noch nicht ganz hinter sich lassen und hilft deshalb als Assistentin bei der Inszenierung des Musicals. "Ich habe kleine Geschwister und mag gern was mit Kindern machen", sagt sie. Sie hilft, sie richtig zu platzieren, die Szenenfolge und alle Details sowie auch die benötigten Requisiten zu notieren. Am Klavier wird Wiebke Peinemann die Aufführung unterstützen. Sie sorgt auch für einen freundlicheren Schluss, denn in der Handlung des Musicals nach Matthäus 25, Vers 14 bis 30, das mit der Doppeldeutigkeit des Wortes "Talente" spielt, wird der "ängstliche Knecht" am Ende dafür bestraft, dass er mit dem Geld seines Herren zu vorsichtig umgegangen ist. Und das passt ja wohl kaum in unsere Zeit.
Das fröhliche Kindermusical wird erstmals am Sonntag, 4. Juli, um 16 Uhr im Stadtkirchenzentrum und am 20. August in der Johanniskirche aufgeführt. Und danach heißt es für die Kinder: Dabei bleiben! Denn das nächste Musical "Der große Turm" steht bereits in den Startlöchern.