Verden. Wahlen ohne Wahlplakate? Das ist auch im Internetzeitalter undenkbar. Allein 1000 Mal strahlt dem Wahlvolk in Verden, Achim, Langwedel, Kirchlinteln, Thedinghausen und Dörverden das Konterfei des CDU-Direktkandidaten Adrian Mohr entgegen, genau 1136 Mal das der SPD-Direktkandidatin Dörte Liebetruth.
Zuständig fürs Plakatieren seien die Ortsverbände seiner Partei, sagt Mohr. "Allein in Kirchlinteln habe ich 30 Unterstützer". Insgesamt seien es wohl an die hundert Helfer, die das zum Teil schon viele Jahre machten. Die meisten Plakate hätten die Formate A0 und A1 sowie auch die Zwischengröße B1. Hinzu kommen 20 XXL-Plakate, die 1,80 mal 2,20 Meter groß sind.
Seit seiner Nominierung im März 2012 hat Mohr nach eigenen Angaben 300 Termine in eigener Sache absolviert, vom Ministerbesuch über Parteiveranstaltungen bis hin zu seinen Croissant-Verteil-Aktionen an den Bahnhöfen Verden, Langwedel und Achim. "Da hieß es dann, jeweils um 6.30 Uhr aufzuschlagen", erzählt der Kandidat. Diese Aktionen seien ihm sinnvoller erschienen als Hausbesuche: "In der selben Zeit erreicht man mehr Leute." Die 14 Tage vor der Wahl hat sich Mohr Urlaub genommen, so dass er sich mit 50 Stunden pro Woche vollumfänglich dem Wahlkampf widmen könne.
Für dessen Kosten gebe es eine Faustregel: "Man rechnet mit 50 Cent je Wahlberechtigtem", sagt Mohr. Das seien im Wahlkreis 61 rund 81000 Menschen, mache also etwa 40000 Euro. Sein Budget betrage allerdings nur 32000 Euro. Davon übernehme zwar der Kreisverband einen Teil, doch das Gros – 25000 Euro – komme durch Spenden herein. "Erfreulicherweise gibt es viele Kleinspender, die 20 oder 30 Euro geben", so Mohr. Ein Drittel seien Groß-Spender – Unternehmen, die mehr als 1000 Euro geben. Unterstützung gebe es auch in Form von Sachspenden: Die Pendler-Croissants, mehrere Hundert Stück, hat Mohr zum Sonderpreis von einer Bäckerei in Holtum-Geest bekommen.
Nach dem niedersächsischen Abgeordnetengesetz hat jeder Arbeitnehmer, der sich um ein Mandat im Landtag bewirbt, Anspruch auf zwei Monate Wahlvorbereitungsurlaub. Gehalt oder Lohn entfallen in dieser Zeit. "Schön ist das nicht", sagt Dörte Liebetruth, die Direktkandidatin der SPD im Wahlkreis 61. Sie hätte ihre Vollzeitstelle in der heißen Phase des Wahlkampfes am liebsten ganz ruhen lassen, sich aus versicherungstechnischen Gründen aber entschieden, sie auf einen 450-Euro-Job zu reduzieren.
Den Gehaltsverzicht von 7350 Euro brutto – die Medienwissenschaftlerin ist wissenschaftliche Beraterin des Europa-Abgeordneten Bernd Lange in Hannover – steuert Liebetruth als indirekten Beitrag zu den Wahlkampfkosten bei. Diese beziffert sie auf gut 30000 Euro. Etwa ein Drittel wird aus Spenden finanziert: Die meisten lagen unter 100 Euro und stammen von Privatleuten, nur zwei Spenden kamen von Firmen. Den Rest tragen der Kreisverein und die Ortsvereine zu gleichen Teilen.
Von dem Geld hat die 33-Jährige die Plakate drucken lassen – sechs im Großflächenformat, 370 in Din-A 0 und 760 in Din-A 1. Sie hat 50000 Flyer unter die Leute gebracht und danach noch einmal 35000. Außerdem haben 5800 Jungwähler Postkarten von ihr erhalten, und sie wirbt mit Teebeuteln "gegen soziale Kälte" um Erststimmen.
Schon seit Mitte 2012 führt Liebetruth einen intensiven Wahlkampf. Er begann mit ihrer "Tour der Ideen", für die sie Urlaub nahm. Jetzt macht sie Hausbesuche. An welchen Türen sie klingeln soll, empfehlen ihr die SPD-Ortsvereine. Deren Vorsitzende "und noch ein paar mehr" gehören zu ihrem 15-köpfigen Wahlkampfteam.
Wie viele Besuche sie gemacht und an wie vielen Veranstaltungen sie teilgenommen hat – Liebetruth weiß es nicht. "Es waren unzählige." Die Wahlkampftage dauern oft bis in die Nacht. "Da beantworte ich dann Briefe."
Immerhin 15000 bis 20000 Euro kostet der Wahlkampf von Gero Hocker, schätzt FDP-Kreisgeschäftsführer Benjamin Berg. Das meiste komme durch Spenden und Beiträge zusammen, wie bei den anderen Parteien gibt der Landesverband nichts dazu. 1500 Plakate seien aufgehängt worden, 1200 davon von eigenen Leuten. Mit 500 Euro richtig teuer seien die großen "Wesselmänner", benannt nach der sie aufstellenden Firma. Hocker, der auch Generalsekretär der Niedersachsen-FDP ist, hat Listenplatz acht. Laut Berg dürfte der für einen Einzug in den Landtag reichen, wenn die FDP die Fünf-Prozent-Hürde schafft.
Keinen Urlaub genommen
Das Wahlkampf-Budget von Erich von Hofe, dem Direktkandidaten der Grünen, beträgt 13500 Euro. Aufgebracht wird die Summe durch den Kreisverband der Grünen sowie durch Spenden der Grünen-Kreistagsmitglieder. 655 Plakate im A1-Format haben die Grünen aufgehängt, 25000 Postwurfsendungen gingen an die Haushalte, zudem haben die Ortsverbände Thedinghausen und Kirchlinteln eigene Publikationen verteilt. Erich von Hofe, der als Lehrer in Bremen arbeitet, hat für den Wahlkampf keinen Urlaub genommen.
Ulrich Steinmeyer (48), der Kandidat der Linken und Diplom-Ökonom wie Gero Hocker, hat 2000 Euro an den Landesverband seiner Partei überwiesen. Dafür übernimmt dieser die Wahlkampfkosten, deren Höhe Steinmeyer auf Anfrage gerade nicht parat hat. An Zeit hat er um die hundert Stunden in den Wahlkampf investiert. "Plus Plakate kleben", sagt er. Auf keinem davon ist er zu sehen. "Wir machen keinen personengebundenen Wahlkampf, uns geht es um Inhalte", sagt der Kandidat, der noch von 15000 Flyern zu berichten weiß. Steinmeyer: Er mache das alles nebenberuflich, komme ohnehin nicht in den Landtag und stehe auch nicht auf der Liste. Und nun müsse er arbeiten.
Auch Alexander Max Bauer, der Direktkandidat der Piraten, hat keinen Platz auf der Liste. Er habe sich nur zur Verfügung gestellt, um für seine Partei zu werben und nicht etwa für sich selbst, erklärt der 23-Jährige, der Politik-Wirtschaft und Philosophie studiert. Für das Wahlvolk ist er ein gänzlich unbeschriebenes Blatt, der Achimer hat nur an einer der zahlreichen Podiumsdiskussionen in seinem Wahlkreis teilgenommen. "Mein Ziel ist nicht die Berufspolitik", erklärt er. Ob auf Flyern oder Plakaten – Bauers Gesicht taucht nirgendwo auf. Wer wissen möchte, wie er aussieht, muss sich auf die Internetseite der Piraten begeben. Die Ausgaben für den Wahlkampf im Wahlkreis Verden belaufen sich nach Bauers Angaben auf eine Summe "im niedrigen dreistelligen Bereich".