Die Deutsche Erdöl AG (Dea) will am Rande des Wasserschutzgebietes Panzenberg ihren Betriebsplatz erweitern, dort eine zusätzliche Bohrung (Völkersen Z 12) errichten. Bei der Politik und den kreisweit aktiven Bürgerinitiativen (BI) gegen Gasbohren schlägt dieses Vorhaben hohe Wellen. Gerade am Wochenende sind die Gegner der Erdgasförderung im Landkreis Verden wieder mit ihren Transparenten und Kreuzen durch die Stadt gezogen. Nun äußert sich auch der Trinkwasserverband (TV) Verden und stellt zwei Forderungen: Zum einen soll der Trinkwassergewinnung grundsätzlich Vorrang gegenüber der weiteren wirtschaftlichen Nutzung eingeräumt werden, zum anderen fordern die Verdener, keine Erdgasgewinnung in Trinkwasserschutz- und Trinkwassereinzugsgebieten zuzulassen. Der Verband verweist in diesem Kontext auf den von SPD und CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag in Niedersachsen. Darin heißt es: "Der Schutz des Trinkwassers hat für uns absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Um dies dauerhaft sicherzustellen, wollen wir prüfen, ob ein Verbot des Bohrens nach Erdöl und Erdgas in Wasserschutzgebieten sämtlicher Schutzzonen in die ,Verordnung über Schutzbestimmungen in Wasserschutzgebieten' aufzunehmen ist. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen auf Bundes- und Landesebene sollen entsprechend angewendet werden." Die hiesige SPD-Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth zum Stand des Verfahrens: "Die Prüfung läuft noch."
Seit Beginn der 1990er-Jahre wird in Scharnhorst Erdgas gefördert (Völkersen Z 4). Die Wasserversenk-Bohrung Völkersen H1 wird seit 2012 allerdings nicht mehr genutzt. Heißt übersetzt: Im Panzenberg wird seit nunmehr sechs Jahren kein Lagerstättenwasser mehr verpresst. Ende des vergangenen Jahres hat der Energieversorger Dea dem zuständigen Landesbergamt (LBEG) in Hannover die "Genehmigung" zurückgegeben, sprich schriftlich mitgeteilt, dass die Wasserversenk-Bohrung künftig nicht mehr genutzt wird. "Das Rohr wird dichtgemacht", betont Heinz Oberlach, Dea-Sprecher für den Förderbetrieb Niedersachsen.
Ihren bereits bestehenden Betriebsplatz am Rande des Wasserschutzgebietes will die Deutsche Erdöl AG Richtung Nordosten, also in Richtung Scharnhorster Flugplatz, erweitern. Dort, in der sogenannten Schutzzone 3 – im äußeren Bereich – soll die zusätzliche Bohrung (Völkersen Z 12) errichtet werden. "Rund um die Brunnen, in der Zone 1, sind Bohrungen ausgeschlossen. In der Zone 3 ist es unter bestimmten Auflagen erlaubt, nach Erdgas zu bohren", erläutert Oberlach. Zu diesen Auflagen zähle beispielsweise eine Umweltverträglichkeits-Vorprüfung. "Damit wird geprüft, ob eine Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP) notwendig ist", sagt der Dea-Sprecher und ergänzt: "Dea hat die UVP-Vorprüfung bereits vor einigen Monaten beim zuständigen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie beantragt." Der zweite Antrag werde gerade von der Unteren Wasserbehörde beim Landkreis Verden bearbeitet. "Es ist weder eine Entscheidung gefallen noch gibt es einen Bescheid oder irgendeine Tendenz", stellt Oberlach klar, dass erst die Genehmigung vorliegen müsse, bevor in Scharnhorst der Spaten in die Hand genommen werde.
Politik, Bürgerinitiativen und Trinkwasserverband Verden hoffen, dass der Energieriese die Genehmigung für seine Pläne in Scharnhorst nicht erhält: "Seit 2011 ist die mögliche Gefährdung des Grundwassers durch risikobehaftete Vorfälle bei den für die Erdgas-Exploration genutzten Technologien verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gelangt und hat auch den Verband seinerzeit veranlasst, die Risiken zu bewerten", teilt die Geschäftsführung des Trinkwasserverbandes mit.
Verden versorgt Bremen mit Wasser
Der TV Verden versorgt in seinem Verbandsgebiet rund 115 000 Einwohner mit "qualitätsgerechtem Trinkwasser", deckt darüber hinaus rund ein Drittel des Trinkwasserbedarfs der Hansestadt Bremen ab. Neben dem Wasserwerk Panzenberg betreibt der Verdener Verband auch die Wasserwerke Wittkoppenberg (Achim) und Langenberg (Kükenmoor). Bezüglich der geförderten Grundwasser-Menge ist die Wasserfassung Panzenberg das größte Gewinnungsgebiet des Verbandes. Insbesondere die Stadt Bremen und die dort ansässige Lebensmittel-Industrie beziehen das im Wasserwerk Panzenberg geförderte und aufbereitete Trinkwasser. "Zur Aufrechterhaltung der sehr guten Trinkwasserqualität und auch vor dem Hintergrund des Grundwasserschutzes arbeitet der TV Verden bereits seit Jahren eng mit den in seinen Trinkwasser-Schutzgebieten wirtschaftenden Landwirten zusammen. Die Gewinnung von Erdgas birgt grundsätzlich Risiken für das Grundwasser. Am gewählten Standort beispielsweise aufgrund der beabsichtigten Durchbohrung grundwasserschützender und -führender Leiter sowie durch Schichten mit bereits verpresstem Lagerstättenwasser. Auch die oberirdischen Anlagen und deren Umfeld stellen immer wieder ein Sicherheitsrisiko dar. Die niedersächsische Landesregierung hat über das LBEG die Schadstoffbelastungen von Böden und Sedimenten untersucht. Auch bei Förderanlagen in unseren Wasserschutzgebieten sind im Zuge dieser Untersuchungen auffällige Werte ermittelt worden", teilt der Verband mit.
Verbandsvorsteher Harald Hesse, seines Zeichens auch Samtgemeindebürgermeister von Thedinghausen, hat seinen Unmut bereits in einem Schreiben an die Dea, das LBEG sowie die Untere Wasserbehörde beim Landkreis Verden deutlich gemacht: „Die Vorhaben der Unternehmen der Erdgas- und Erdölförderindustrie in den Wasserschutzgebieten unserer Wasserwerke sind geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Qualität des gelieferten Trinkwassers nachhaltig zu beeinträchtigen." Vor dem Hintergrund des vorsorgenden Grundwasserschutzes sowie dem Erhalt des Vertrauens der Verbraucher in die Wasserqualität habe sich der Verband bereits mit einem Schreiben an die entsprechenden Genehmigungsbehörden gewandt. Der TV hofft nun auf einen negativen Bescheid aus Hannover und Verden oder ersatzweise auf eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung.