Anita Augspurg? Nie gehört. Als Elisabeth Speer 1999 als Pastorin in die Verdener St.-Andreas-Kirchengemeinde kam, wusste sie mit einer der berühmtesten Töchter der Domstadt überhaupt noch nichts anzufangen. Ihre Jahre im Pfarrhaus, dem Elternhaus der späteren Frauenrechtlerin und Pazifistin Anita Augspurg, haben dies jedoch grundlegend geändert. Wegen Anita Augspurg wurde Verden vor nunmehr zehn Jahren zum ersten Frauenort Niedersachsens auserkoren. Das wird am Wochenende mit einem großen Festprogramm im Deutschen Pferdemuseum gefeiert. Zum Festakt an diesem Freitag, 13. April, hat sich auch die neue niedersächsische Fachministerin angesagt. Ja, Carola Reimann (SPD) ist nicht nur Landesministerin für Soziales und Gesundheit, sondern eben auch für die Geichstellung. Sie hält gegen 18 Uhr ein Grußwort im Pferdemuseum.
Christine Borchers, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Verden, lässt dann im Talk mit der Vorsitzenden des Kreisverdener Frauenrates, Karin Labinsky-Meyer, und weiteren Gästen noch einmal Revue passieren, wie Verden damals eigentlich zum ersten Frauenort Niedersachsens wurde. "Der niedersächsische Landesfrauenrat war gerade zu Besuch in Verden. Auf der Tagung hat mich dann dessen Geschäftsführerin Antje Peters gefragt, ob Verden nicht Frauenort werden könnte. Ich habe natürlich auf der Stelle Ja gesagt", erinnert sich Christine Borchers.
Sie sitzt heute auch im Fachbeirat für die niedersächsischen Frauenorte. "Wir haben ja mit Anita Augspurg in Verden und Achim/Fischerhude mit Cato Bontjes van Beek gleich zwei tolle Frauenorte hier im Landkreis", freut sich die Gleichstellungsbeauftragte. Allerdings wäre ihrer Ansicht nach ein weiterer Frauenort im Kreisgebiet "längst überfällig". Und zwar Fischerhude mit Clara Westhoff. Die Malerin sei schließlich weit mehr gewesen, als nur die Ehefrau von Rainer Maria Rilke und Freundin von Paula Modersohn-Becker – galt sie doch schließlich auch als Pionierin auf dem Gebiet der weiblichen Bildhauerei.
Elisabeth Speer, langjähriges Vorstandsmitglied im Kreisfrauenrat, kann dies nur bestätigen. Sie hat damals sogar ein Bild von Anita Augspurg bei sich im Pfarrhaus aufgehängt, wurde durch die intensive Beschäftigung mit ihrer Vita selbst stark für frauenpolitische Themen sensibilisiert. "Anita Augspurg hat zu ihrer Zeit für Dinge gekämpft, die heute selbstverständlich sind", erläutert die Theologin. Beispielsweise für das Frauenwahlrecht, das es mittlerweile seit hundert Jahren gibt. Genau diesem Thema widmet sich auch das neue, insgesamt dritte Theaterstück über Anita Augspurg. Natürlich wieder gespielt von Birgit Scheibe. Der Nienburger F. Thomas Gatter hat der Augspurg-Darstellerin das Stück "Neunzehn Eins Neunzehn Neunzehn" quasi auf den Leib geschrieben.
Hochintellektuelle Frau
Regie führt diesmal Susanne Baum aus Bremen. "Anita Augspurg war eine hochintellektuelle Frau, die ihr ganzes leben lang ihrer Vision gefolgt ist. Sie konnte allerdings auch sehr schroff sein, deswegen denke ich nicht, dass ich persönlich so schnell mit ihr warm geworden wäre", mutmaßt die Regisseurin. An Birgit Scheibe schätzt die Regisseurin vor allem deren Professionalität. "Ich habe die Anita schon als junge und auch als alte Frau gespielt, nun verkörpere ich sie in der Mitte ihres Lebens", erzählt die Künstlerin. Das Alter sei doch eigentlich vollkommen nebensächlich, wichtig sei die Leidenschaft, mit der die Frauenrechtlerin für ihre Sache gekämpft habe.
Christine Borchers hatte vor einer Dekade die Idee, Birgit Scheibe als Anita Augspurg zu besetzen. "Birgit sagt immer, dass sei damals das kürzeste Telefon-Casting der Welt gewesen", erinnert sich die Gleichstellungsbeauftragte lachend. Auch das neue Augspurg-Stück besticht durch sein minimalistisches Bühnenbild. "Es ist als Tournee-Theater angelegt. Wir haben sogar schon Anfragen aus Süddeutschland", erzählt Christine Borchers, dass Birgit Scheibe als Anita Augspurg natürlich auch weiterhin die Botschafterin Verdens sein solle. Anlässlich des Frauenort-Geburtstages schlüpft sie an diesem Sonnabend, 14. April, ab 18.30 Uhr im Pferdemuseum erneut in ihre Paraderolle. Musikalisch untermalt von der Musikerin Karin Christoph und dem Achimer Frauenchor Singart.
In Kooperation mit der Stadt Verden vergibt die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) im Herbst erneut den Anita-Augspurg-Preis.