Landkreis Verden. Er springt nur selten über Zäune, dafür untergräbt er sie um so häufiger. Im Wolf steckt in der Tat ein bisschen vom Maulwurf Grabowski. Deswegen sollten Nutztierhalter beim Thema Herdenschutz nach Ansicht von Frank Faß neben der Höhe auch den Schutzzaun selbst und – nicht zu vergessen – seine Verankerung im Erdreich beachten. Fast drei Jahre sind von der Idee bis zum sogenannten Rollout vergangen. Nun ist das lang erwartete Fachbuch „Wildlebende Wölfe – Schutz von Nutztieren – Möglichkeiten und Grenzen" von Frank Faß und seiner Frau Christina erschienen. Der Inhaber des Dörverdener Wolfcenter beleuchtet darin auf insgesamt 384 Seiten das Spannungsfeld Wolf versus Nutztierhaltung.
„Der Herdenschutz wird mir oft zu simpel diskutiert“, beklagt Faß, dass immer nur von „den Nutztierhaltern“ gesprochen werde. Deswegen differenziert er in seinem Buch genau, unterscheidet zwischen Schafen und Ziegen, Damwild, Rindern, Pferden und Ponys. Der Autor geht sogar noch einen Schritt weiter und bezieht auch den jeweiligen Habitat-Typ mit in seine Betrachtungen ein.
Zwei gerissene Schafe in Hülsen
„Schafe sind für den Wolf einfach die leichteste Beute, deswegen ist der Schutz dieser Weidetiere unabdingbar“, betont Frank Faß. Rund 230 000 Schafe gebe es in Niedersachsen. Gerade die vielen tausend kleinen Hobby-Schäfer müssten insbesondere noch für das Thema Herdenschutz sensibilisiert werden: „Das ist eine Riesenaufgabe. Wenn sie ihre Türen nicht zumachen, ist das eine Einladungskarte nach der anderen für den Wolf.“ Doch Herdenschutz ist nicht gleich Herdenschutz, auch bei den Schafen nicht. Schließlich arbeiten Berufsschäfer wie Jörk Hehmsoth (Nindorf) mit mobilen Herdenschutz-Zäunen, Hobby-Schäfer aber vielmehr mit festen Umzäunungen.
Gemäß der Richtlinie Wolf des Landes Niedersachsen müssen mobile Elektro-Herdenschutz-Zäune eine Netzhöhe von mindestens 90 Zentimetern aufweisen. Viele Profis rüsten aber erfahrungsgemäß freiwillig auf 1,06 Meter auf. Der Nachteil von höheren und damit auch gleichzeitig schwereren Schutzzäunen: Sie sind für den Schäfer einfach nicht mehr so gut händelbar. „Wer seinen Zaun auf 1,20 Meter erhöht, darf aber dennoch den Untergrabeschutz nicht vergessen“, weist der Inhaber des Wolfcenters noch einmal darauf hin, dass im Isegrim auch immer ein Stück weit der Maulwurf Grabowski stecke. Auf dem Areal des Dörverdener Wolfcenters hat er Demo-Zäune für alle Nutztierarten aufgestellt. „Feste Zäune mit Metallknoten-Geflecht halten 30 bis 40 Jahre lang“, ist der Experte überzeugt.
Es gibt inzwischen sogar Elektrozäune mit bis zu fünf Drähten, die Nutztiere wie Rinder, vor dem Raubtier schützen sollen. Nutztierhalter wissen um die Problematik, wenn das Gras sprießt und den unteren Draht erreicht. „Die Elektrizität gelangt dann direkt ins Erdreich und der Schutzzaun wird wirkungslos“, erläutert Faß. Gerade die Region um Cuxhaven, „die Milchkammer Norddeutschlands“, sei in der Vergangenheit immer wieder vom Isegrim heimgesucht worden. Und wie sieht es mit der „Hüte-Sicherheit“ bei Pferden aus? Dass der Wolf nicht tatsächlich eines Tages das erste Pferd in Niedersachsen reißt, kann nämlich auch Frank Faß nicht vollkommen ausschließen.
Der Dörverdener ist auch als Wolfsberater für den Kreis Verden tätig. Kürzlich wurden in Hülsen nachgewiesenermaßen zwei Schafe gerissen. In der Vergangenheit gab es schon einen ähnlichen Fall in Kirchlinteln. „Im Raum Fischerhude hatten wir auch schon ein gerissenes Kuhkalb“, weiß Faß. 14 Wolfsrudel leben ihm zufolge mittlerweile in Niedersachsen, zuzüglich vier Paaren und einem „residenten Einzeltier“.
Die FDP fordert, dass der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird. Aber werden damit alle Probleme aus der Welt geschafft? Niedersachsens neuer Umweltminister Olaf Lies (SPD) hat der Forderung jedenfalls gerade in einer Pressemitteilung eine Absage erteilt: „Es macht zur Zeit keinen Sinn, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, weil der Wolf streng geschützt ist und dann eine ganzjährige Schonzeit hätte.“ Allerdings stellte er fest: „Wir müssen natürlich die Ausbreitung des Wolfes managen, auffällige Wölfe müssen konsequent kontrolliert, zügig vergrämt und nötigenfalls getötet werden, um eine Gewöhnung der Wölfe an den Menschen zu unterbinden und unsere Weide- und Nutztierhaltung nicht zu gefährden.“
„Es ist eine große Illusion, zu glauben, dass durch eine Bejagung des Wolfes die Übergriffe auf Nutztiere zurückgehen. Herdenschutz bleibt auch künftig ein Dauerthema“, prophezeit der Experte. Für ihn kann das Zusammenleben mit den Wölfen in Niedersachsen nur gelingen, wenn von allen Beteiligten ein „Mittelweg“ gegangen wird, und zwar abseits extremer Handlungen für oder gegen Wölfe.
Das Buch „Wildlebende Wölfe“ ist zum Preis von 34,90 Euro im Buchhandel sowie über das Internet erhältlich. Bei Bedarf bietet Frank
Faß
im Wolfcenter Dörverden auch Seminare zum Thema Herdenschutz an.