Grußworte des Bürgermeisters, der Projektpartner und Geldgeber, ein Wortbeitrag von Kulturminister Björn Thümler und jede Menge Literatur: Mit großem Programm wird am Freitag, 25. Oktober, ab 19.30 Uhr in der Kulturmühle die Premiere von zwei Neuerscheinungen zu den siebten Berner Bücherwochen gefeiert. Mit dabei sind mehrere Autorinnen und Autoren, die sich an den Ausschreibungen beteiligt hatten und deren Texte unter rund 1500 Einsendungen für die Anthologie "Heimat/Menschheit" oder das neue Lesebuch für die Wesermarsch mit dem Titel „Was du nicht willst ..." ausgewählt wurden.
Von Prosa über Tagebuchnotizen, Brief, Lyrik, Drama, Essay und Sachtext waren alle Genres erlaubt. Entsprechend vielfältig fiel die Textauswahl für die beiden Bücher aus. „Ginge es ausschließlich um Qualität, wäre dieses Buch zu 90 Prozent mit Gedichten österreichischer Autorinnen bestückt, deren hohe Literatenkunst durch etliche Preise zweifelsfrei ausgewiesen ist“, schreibt Herausgeber Reinhard Rakow mit Blick auf die Anthologie Heimat/Menschheit. „Aber wiegt deren Schreibkunst mehr als der Mut eines Autors aus der Region, der sich traute, erstmals einen eigenen Text einer Öffentlichkeit anzudienen? Was ist mit der autobiografischen Kriegserinnerung der Achtzigjährigen im Vergleich zu dem in köstliche Worte wohlgesetzten Aufsatz der taffen Germanistik-Studentin?“
Die Textauswahl für die geplanten Veröffentlichungen war für Herausgeber Rakow eine Herausforderung. Wegen der Vielzahl der eingereichten Texte musste die ursprünglich für den 14. September geplante Premiere von „Heimat/Menschheit“ um sechs Wochen verschoben werden. Die hohe Qualität der Texte habe die Auswahl zusätzlich erschwert.
Insgesamt beteiligten sich mehr als 850 Einsender aus Japan, den USA, Brasilien, Bulgarien, Rumänien, Türkei, Italien, Spanien, Frankreich, der Schweiz, Österreich und dem gesamten Bundesgebiet von Flensburg bis München mit Texten zu Flucht und Heimatverlust oder auch zu Migration und den Schwierigkeiten, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden.
Das Verlassen der Heimat kann aber auch eine Befreiung sein. Darüber schreibt Sabine Schubert aus Hannover in ihrem Brief „An meinen geliebten kleinen Bruder“. Ihre Protagonistin lässt Heimat, Familie, Freunde sowie ihr gesamtes Hab und Gut zurück, um der Enge und dem Streben nach einem scheinbaren Glück zu entkommen. Nach sechs Monaten meldet sie sich zum ersten Mal wieder, wirbt um Verständnis für ihren Schritt, schreibt von ihrem neuen Glück und vermag dennoch kaum zu vermitteln, was sie an dem neuen einfachen Leben zwischen möbliertem Zimmer und Aushilfsjobs so fasziniert. Fest steht nur dies: zurück will sie nicht. „Hoffe nicht“, schreibt sie ihrem Bruder. „Ich werde nicht aus der Freiheit zurückkehren und meine alten Fesseln wieder anlegen.“
Spannende Beiträge darf das Publikum Rakow zufolge auch vom neuen Lesebuch für die Wesermarsch erwarten. Leitlinie der Textauswahl war der vielleicht bekannteste Grundsatz der praktischen Ethik: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Entstanden ist ein etwa 350 Seiten starkes Buch mit teils traurigen, teils witzigen Texten, Prosa und Lyrik auf Hoch- und auf Plattdeutsch. Der ein oder andere Autor habe gleich alle Themen – Heimat, Menschheit und „Was du nicht willst...“ – miteinander verknüpft.
So spielt etwa der Nordenhamer Autor Jens Wohlkopf in seinem Beitrag ein düsteres Szenario durch: Wie es wohl wäre, eines Morgens in zerbombter Umgebung aufzuwachen und sich dann über die Schweiz nach Marokko durchschlagen und dort um Asyl bitten zu müssen? Andere Autoren assoziierten das Motto „Was du nicht willst, ..." mit dem Umgang des Menschen mit der Natur, Erfahrungen im Kreise der Familie oder entwickeln – wie Ulli Krebs aus Nordenham – die Geschichte eines Besuchs im Jobcenter.
Joachim Voss aus Oldenburg erzählt davon, wie die Fremdenfeindlichkeit eine ganze Gruppe Jugendfreunde fast auseinanderbringt. In seiner Erzählung lässt er es aber nicht mit der Devise „...das füg auch keinem andern zu“ bewenden, sondern entwirft ein Szenario, in dem die tiefen Gräben zwischen den Jungs auch wieder überwunden werden.
Zur Buchpremiere in der Kulturmühle werden unter anderem Edith Koschnick aus Elsfleth einen Text zum Thema „Was du nicht willst ...„ und Britta Lübbers aus Oldenburg ihre Heimatgedichte vorstellen. Helmut Rinke aus Witten erzählt von seiner westfälischen Herkunft, und Nina Tröger aus Hamburg thematisiert in ihrem Langgedicht „Bubble“ die Blase, in der so viele Menschen gefangen zu sein scheinen, die eigentlich etwas zum Besseren bewegen wollen. Silke Tobeler, eine Ausstellungskuratorin, die mit ihrer Familie zwischen Berlin und Brandenburg pendelt, nimmt in ihrem Text “Das Schwein„ das Bestreben der Menschen auf die Schippe, alles regeln und verwerten zu wollen. Die „Kleine Menschheitsgeschichte“ des Nordenhamers Jens Wohlkopf wird ebenfalls zu hören sein und auch ein Auszug aus dem „Reisegepäck“ des Lyrikers Roland Bärwinkel aus Weimar.
Die Vergabe der Preise für die besten Texte zum Thema „Heimat/Menschheit“ erfolgt dann im Rahmen der Abschlussveranstaltung der Bücherwochen am Sonnabend, 14. Dezember, ab 18.30 Uhr in der Berner Kulturmühle. Bereits am Freitag, 13. Dezember, werden ab 19.30 Uhr im Museum Nordenham die besten Beiträge für die Anthologie „Was du nicht willst ...“ ausgezeichnet.
Weitere Informationen
„Heimat/Menschheit“ – Die Doppelanthologie der siebten Berner Bücherwochen, herausgegeben von Reinhard Rakow, circa 600 Seiten, Geest-Verlag Vechta, 16,80 Euro.
„Was du nicht willst...“ – Das neue Lesebuch für die Wesermarsch, herausgegeben von Dieter Kohlmann und Reinhard Rakow, circa 350 Seiten, Geest-Verlag Vechta, 14,80 Euro.
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