Angebote, Güter zwischen Deutschland und China mit dem Zug zu transportieren, sind in den vergangenen Jahren immer mehr geworden: Seit neustem besteht eine solche Verbindung auch zwischen dem Seehafen Brake und der chinesischen Stadt Chongqing. Möglich macht das der Panda-Express. Gegen Weihnachten dürfte der erste Zug, der vergangene Woche in Brake gestartet ist, in China eintreffen. Organisiert hat diesen ersten Direktzug der Terminalbetreiber und Logistikdienstleister J. Müller zusammen mit DB Cargo. Die Fracht: 1000 Tonnen Zellstoff. Die Fahrtdauer liegt zwischen 14 und 16 Tage.
Bereits heute verlassen nach Angaben von J. Müller mehr als 65 Prozent der einkommenden Zellstoffmenge den Hafen per Bahn – bisher ins europäische Hinterland, nun aber auch nach China entlang der Seidenstraße. Die Mengen auf der Schiene sollen mit DB Cargo weiter ausgebaut werden, „um den Bedürfnissen der Kunden nach Schnelligkeit und Nachhaltigkeit noch mehr gerecht zu werden“, teilt der Terminalbetreiber mit.
Bei Gütern, die per Zug nach China transportiert werden, handelt es sich häufig um Waren, die zeitkritisch sind und deshalb schneller transportiert werden sollen als dass das mit dem Schiff möglich ist. Zellstoff gehört nicht zu dieser Kategorie, aber dass sich der Transport per Zug dennoch rechnet, dafür gibt es einen Grund: Chongqing liegt in Zentralchina und wenn der Transport auf dem Seeweg erfolgt, dann müssen zur normalen Fahrtdauer mit dem Containerschiff, die mindestens zehn Tage länger dauert als mit dem Zug, noch mal mindestens 14 Tage dazu gerechnet werden – ohne Wartezeit.
Alternative zum Containerschiff
„Chongqing liegt mitten in China und ist vom nächsten Seehafen etwa 2000 Kilometer entfernt“, sagt eine Sprecherin von J. Müller. Der Transport gehe vom Seehafen mit dem Binnenschiff auf dem Jangtse weiter, einer der weltweit am häufigsten befahrenen Wasserstraßen. „Da stauen sich in der Regel die Binnenschiffe. Das kostet Geld und Zeit.“ Meist komme es zu langen Wartezeiten an den Schleusen und kostspieligen Umladungen vom Binnenschiff auf den Lkw, der durch Gebirgslandschaften fahren müsse.
Gleiches Prozedere gelte bei Nicht-Schiffbarkeit des Flusses wegen Hoch- und Niedrigwasser bei der Rückfahrt. Vor dem Transport per Binnenschiff ab Changshu, dem größten Zellstoff importierenden Hafen Chinas, habe die Ware je nach Herkunftsland bereits eine mehrere Wochen dauernde Seereise zurückgelegt. Insofern sei die Zugverbindung eine gute Alternative. Hinzu komme, dass der Transport per Zug umweltfreundlicher sei. Auch das werde von Kunden immer häufiger nachgefragt.
Der Seehafen Brake hat sich in den vergangenen Jahren zum deutschen Forstprodukte-Hub entwickelt, allein mehr als 1,2 Millionen Tonnen Zellstoff werden jährlich umgeschlagen – mit steigender Tendenz. J. Müller hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr 13,8 Millionen Euro für den Bau neuer Lagerhallen für Stückgüter mit einer Gesamtfläche von knapp 28.000 Quadratmetern investiert.
J. Müller will auch weiterhin auf den Ausbau des Umschlages von Zellstoff setzen und blickt dabei zielgerichtet auf den Wachstumsmarkt Asien und die Länder der ehemaligen UdSSR. Mit der Bahnverbindung nach Chongqing werde eine Expressverbindung aufgebaut, die dann nicht nur Zellstoff schnell, umweltfreundlich und sicher transportiere, sondern auch weitere Produkte auf den Weg nach China und zurück bringen könne, so der Logistikdienstleister. Chongqing, eine aufstrebende Mega-City im Südwesten Chinas mit 34 Millionen Einwohnern, habe sich in den vergangenen Jahren als Magnet für die Ansiedlung vielfältiger Industrie entwickelt und sich zunehmend als New-Technology-Standort etabliert.
Experten von DB Cargo und J. Müller haben für diesen Neuverkehr mit dem sogenannten Panda-Sprinter ein eigenes Schienenprodukt entwickelt. Für die Bereitstellung der Gleisanlagen in Brake hat der Infrastruktureigentümer Niedersachsen Ports gesorgt. Auf der mehr als 10.000 Kilometer langen Reise von Brake nach Chongqing muss der Containerzug zweimal die Spurbreite wechseln. China hat die gleiche Spurbreite wie Europa. In Weißrussland, Russland und Kasachstan wird auf Breitspur gefahren. Daher müssen die Container an der polnisch-weißrussischen sowie an der kasachisch-chinesischen Grenze auf neue Tragwagen umgeschlagen werden.
Nach der Testphase mit dem ersten Zellstoff-Zug seien bereits weitere Züge in Planung. DB Cargo und J. Müller möchten dieses Logistik-Konzept künftig gemeinsam für Kunden anderer Branchen ausbauen.
In sechster Generation
Die Unternehmensgruppe J. Müller ist spezialisiert auf den Betrieb von Seehafenterminals und dazugehörigen Hafen- und schifffahrtsnahen Dienstleistungen. Die Umschlag- und Befrachtungsleistung lag 2019 bei 8,5 Millionen Tonnen Stück- und Schüttgüter. Der Jahresumsatz hatte ein Volumen von etwa 115 Millionen Euro. Der regionale Schwerpunkt ist Norddeutschland, vor allem die Unterweserweserregion mit eigenen Seehafenterminalbetrieben in Brake und Bremen. Das mittelständische Familienunternehmen in sechster Generation wurde 1821 in Brake gegründet und beschäftigt zurzeit 449 Mitarbeiter an den Standorten Brake und Bremen.