Linda Zervakis: Lemwerder liegt gut zwei Stunden von Hamburg entfernt. Ich war noch nicht dort, aber das ist ja das Schöne an Lesungen. Ich komme dadurch an Orte, an denen ich vorher noch nie war.
Stimmt es, dass es bei Ihren Lesungen immer Ouzo gibt?Ich habe auch schon mal eine Lesung gemacht, da gab es keinen. Lassen Sie sich überraschen. Das hängt vom Publikum ab. Nein, das war ein Scherz.
Bei Ihrem Besuch bei „3 nach 9“ hat Ihnen der billige Ouzo für fünf Euro besser geschmeckt als der teure. Hat das mit Ihrer Kiosk-Vergangenheit zu tun oder woran liegt es?Im Kiosk wird man halt etwas härter groß. Ich finde es schön, wenn der Ouzo im Abgang etwas milder ist. Bei „3 nach 9“ nach war das bei dem billigeren Ouzo der Fall.
Um den Kiosk geht es auch in Ihrem Buch, aus dem Sie in Lemwerder lesen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, darüber zu schreiben?Ich war bei Radio Eins vom RBB in der Talksendung „Hörbar Rust“ zu Gast bei der wunderbaren Bettina Rust. Die Sendung dauert zwei Stunden und irgendwann habe ich auch vom Kiosk meiner Eltern erzählt. Eine Lektorin des Rowohlt-Verlages hat das gehört und angeregt, ein Buch darüber zu schreiben. Ich habe sie ein Jahr lang warten lassen, aber sie blieb hartnäckig. Dann habe ich mit meinen Brüdern und meiner Mutter zusammengesessen und über die Zeit im Kiosk gesprochen. Wir haben festgestellt, es gibt doch einige Anekdoten zum Schmunzeln. So hat es angefangen.
Was waren das für Leute, die in den Kiosk kamen und von denen Sie erzählen?Der Kiosk war ein Spiegel der Gesellschaft. Wir hatten den Fahrer des Verteidigungsministers, wir hatten Migranten, Arbeitslose, alleinstehende Mütter, Rechtsanwälte, Ärzte, alles was das Leben bietet. Der Kiosk war meine persönliche Schule des Lebens.
Was haben Sie dort gelernt?Auf jeden Menschen zuzugehen, egal aus welcher Schicht er kommt, ob er viel oder wenig Geld hat, ob er gut gekleidet ist oder Alkoholiker. Es gibt überall nette Menschen, gute und herzliche Typen, die sich umeinander kümmern, unabhängig davon wie sie aussehen.
In der nicht enden wollenden Debatte über Integration und Migration hört sich das oftmals anders an. Sie sind die Tochter griechischer Eltern. Wann sind Sie mit der Migrationsdebatte konfrontiert worden?Als ich zur Tagesschau kam. Davor bin ich damit nicht in Berührung gekommen, weil ich nie Probleme damit hatte. Ich war immer integriert, weil ich immer die Sprache gesprochen habe. Meine Eltern sind als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Sie haben immer gesagt, wir sind hier zu Gast, wir wollen uns anpassen und nicht auffallen. Das würde ich in Griechenland auch von Einwanderern erwarten.
Treffen Sie heute noch Menschen aus Ihrer Zeit im Kiosk?Sehr selten. Ich bin in einen anderen Stadtteil gezogen. Da trifft man die Leute nicht so leicht.
Gibt es den Kiosk noch?Nein. Meine Mutter ist in Rente gegangen. Damit hatte sich das Thema erledigt. Ich glaube, das wäre auch eh nicht mehr lange gut gegangen, nachdem sich die Ladenöffnungszeiten geändert hatten. Unsere meisten Kunden hatten wir abends, wenn die Läden geschlossen waren. Heute haben sie bis 21 Uhr oder länger geöffnet und die Leute gehen zum Discounter, weil es dort billiger ist.
Kommen wir zurück zu Ihrem Besuch in Lemwerder. Es gibt Lesungen, in denen wird mehr erzählt als gelesen. Wie ist das bei Ihnen und was dürfen die Zuhörer erwarten?Ich erzähle auch ein bisschen, aber vor allem lese ich aus dem Buch. Meistens ist das auch ganz amüsant.
Auch noch für Sie, die Sie die Geschichten doch alle kennen?Auch für mich. Das ist etwas ganz anderes als bei der Tagesschau, wo ich alleine in einem Raum stehe, auch wenn ich weiß, dass mir Millionen Menschen zusehen. Bei einer Lesung sehe ich das Publikum und wie es reagiert. Mein Anliegen ist es, dass die Zuhörer gut gelaunt von der Lesung nach Hause gehen. Wenn die meisten von ihnen sagen, sie hatten einen guten Abend, dann bin ich glücklich.
Wann dürfen wir uns über Ihr nächstes Buch freuen, vielleicht mit ein paar lustigen Anekdoten aus dem Alltag hinter den Kulissen der Tagesschau?Ich bin dabei. Wenn alles gut geht, erscheint es nächste Jahr. Die Tagesschau kommt bislang nur am Rande vor.
Worauf dürfen wir uns stattdessen freuen?Auf eine Fortsetzung des ersten Buchs mit einer etwas größeren Linda.
Eine Frage bleibt noch. Wie schaffen Sie das alles unter einen Hut zu bekommen, Ihre Arbeit, die Familie mit Mann und zwei Kindern, die Lesungen, das Schreiben?Der Trick ist, einfach nicht mehr schlafen.
Das Interview führte Georg Jauken.Linda Zervakis
blickt seit 2013 regelmäßig vom Fernsehbildschirm in die Wohnzimmer der Republik. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte die Tagesschau-Sprecherin hinterm Kiosktresen.
Weitere Informationen
Linda Zervakis liest am Freitag, 26. Oktober, ab 19 Uhr in der Begegnungsstätte Lemwerder, Edenbütteler Straße 5, aus ihrem Buch „Königin der Bunten Tüte“, in dem es um ihre Kindheit und Jugend hinterm Kiosktresen in Hamburg-Hamburg geht. Das Buch ist 2015 erschienen. Der Eintritt zur Lesung kostet 18 Euro, ermäßigt 16 Euro.
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