Lemwerder gerät in Finanznot Schiffbruch bei der Gewerbesteuer

Eine Gewerbesteuer-Rückzahlung bringt die Gemeinde Lemwerder in finanzielle Nöte. Eine Haushaltssperre wird erlassen. Das bremst die Gemeindeentwicklung aus. Doch damit ist es nicht getan.
15.09.2023, 18:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Schiffbruch bei der Gewerbesteuer
Von Björn Josten

Schlechte Nachrichten für Lemwerder. Die Gemeinde muss Gewerbesteuern aus dem Jahr 2020 zurückzahlen. Die Summe übersteigt die vorhandenen liquiden Mittel. Im Ausschuss für Finanzen und Gemeindeentwicklung skizzierte Kämmerin Rilana Niehus die Konsequenzen.

Wie hoch fällt die Rückzahlung aus?

Die Anspannung war Kämmerin Rilana Niehus anzumerken, als sie die versammelte Lokalpolitik über die finanzielle Situation informierte. Wegen eines Rückerstattungsbescheides müsse die Gemeinde Gewerbesteuern aus dem Jahr 2020 in Höhe von 6,3 Millionen Euro zurückzahlen. Das Problem verschärfe sich dadurch, dass derzeit nur etwa 3,7 Millionen Euro auf dem Konto verfügbar seien. Eine Rückzahlung sei an sich keine Besonderheit, beteuerte die Kämmerin. Die Höhe hingegen schon. Das aber sei ein Teil der finanziellen Struktur in Lemwerder. "Wir sind weitgehend von einem Gewerbezweig abhängig, dessen Bilanzen wir nicht beeinflussen können", sagt Niehus. Zuletzt sei häufig ein Geldregen über Lemwerder niedergegangen, nun allerdings ein Gewitter. 

Was bedeutet das für Lemwerder?

Die Gemeinde hatte im Haushalt 2023 bisher mit einem Überschuss gerechnet. Das ist nun hinfällig. Die Kämmerei rechnet statt der erwarteten 13 Millionen an Einnahmen aus der Gewerbesteuer nun noch mit 5,2 Millionen. Zwar betonte Niehus mehrfach, dass es sich um vorläufige Zahlen handele, doch an der grundsätzlichen Tendenz dürfte das wenig ändern. Nun muss der Gürtel also enger geschnallt werden. Mit einzelnen Sparmaßnahmen ist es nicht getan. Die Bürgermeisterin Christina Winkelmann wird eine Haushaltssperre verhängen.

Was genau heißt das?

Lemwerder muss während einer Haushaltssperre genau auf seine Ausgaben achten. Das gilt vor allem für die sogenannten freiwilligen Leistungen, die nun weitgehend auf Eis gelegt werden. "Wir werden allerdings bei kleinen Zuschüssen nicht die Existenz von Institutionen wie die Lebensmittelausgabe gefährden", verspricht Niehus. Gänzlich ausgenommen sind die sogenannten Pflichtleistungen. Heißt: Gehälter werden weiter ausgezahlt und auch der Schulbetrieb ist uneingeschränkt gesichert. Auch laufende Projekte können fortgeführt und abgerechnet werden. Künftige Ausgaben gehen per Haushaltsermächtigung über den Schreibtisch der Bürgermeisterin. So sieht es der Gesetzgeber vor.

Wann tritt die Haushaltssperre in Kraft?

Praktisch gilt die Haushaltssperre schon, da Bürgermeisterin Christina Winkelmann die Fachbereiche ihrer Verwaltung bereits sensibilisiert hat. "Das verschriftlichen wir jetzt noch und dann tritt die Haushaltssperre ab Montag [18. September, Anm. d. Red.] in Kraft", sagt Winkelmann. Sie wird solange gelten, bis ein Nachtragshaushalt verabschiedet ist.

Was sagt die Politik?

Gemessen an der in Lemwerder üblichen Debattenintensität – beispielsweise wenn es über eine mögliche Anschaffung von Mährobotern geht – fiel die Reaktion der Lokalpolitiker verhalten aus. Brigitta Rosenow (Grüne) zeigte sich erleichtert, dass die Gemeinde trotz finanzieller Schieflage handlungsfähig bleibe. Rainer Wohlers (UWL) fand die Höhe der fälligen Nachzahlung nicht nachvollziehbar und fragte sich, ob ähnliche Nachzahlungen nun auch aus den Jahren 2021 und 2022 drohen könnten. Beides solle die Verwaltung alsbald nicht öffentlich erläutern. Harald Schöne (FDP) trieb vor allem die Frage um, seit wann die Kämmerei Bescheid wisse und auf welchem Wege eine solche Nachricht das Rathaus erreiche. Ohnehin erwarte er von der Verwaltung, dass sie signalisiere, wenn ein politisches Vorhaben nicht umsetzbar sei.

Was sagt die Verwaltung?

Naturgemäß hat Rilana Niehus eine andere Wahrnehmung der Dinge als die Politik. "Der Haushalt ist zu dick", sagt sie. Soll heißen: Zu viele politisch gewünschte, aber praktisch nicht umsetzbare Projekte würden das Zahlenwerk belasten. In einer Situation, wie sie nun eingetreten ist, wiege das doppelt schwer. Denn es seien Mittel gebunden, die nun bei der Reaktion auf die besondere Situation hilfreich wären. Auf Harald Schöne antwortete sie direkt: Es sei doch die Politik, die Bedenken aus der Verwaltung in den Wind schlage und Vorhaben trotzdem durchwinken würde. "Wir haben zuletzt, auch wegen der hohen Gewerbesteuer-Einnahmen, viele Projekte umsetzen können: Krippen- und Kita-Bau, Edenbüttel II, ein neues Feuerwehrhaus – da ist viel Geld investiert worden", erläutert Niehus. Sie ließ es unausgesprochen, dass sie sich wohl den ein oder anderen Euro mehr als Rücklage gewünscht hätte. Denn: Erst mit einem Schlussbescheid seien die Einnahmen aus der Gewerbesteuer für die Gemeinde verlässlich verfügbar.

Was bedeutet die Schieflage für die Zukunft?

Lemwerder werde lernen müssen, entsprechend der finanziellen Verhältnissen zu agieren. Dazu gehört auch, künftig nur Geld für Projekte im Haushalt bereitstellen zu lassen, die auch mit hoher Wahrscheinlichkeit umsetzbar seien. Es bringe nichts, viele Projekte zu optionieren, wenn klar sei, dass es nur wenige Mitarbeiter für die Umsetzung gebe. Eine gute Nachricht hatte Rilana Niehues aber auch: "Glücklicherweise ist der Nachzahlungsbescheid vor dem Stichtag für die Kreisumlage eingegangen." Diese dürfte somit geringer als in den Vorjahren ausfallen. 

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Streitfall Container-Klassenräume

Fehlende Klassenräume hat Lemwerder an der Grundschule in Deichshausen durch die Aufstellung von Containern kompensiert. Das war seit jeher ein Zankapfel. Weniger wegen der Notwendigkeit als wegen des Vorgehens der Verwaltung, beziehungsweise der Bürgermeisterin. Nun kommt neuer Ärger hinzu. Denn die Kosten sind in die Höhe geschnellt. Inklusive Erdarbeiten und einer Abwasserhebeanlage muss die Gemeinde rund 100.000 Euro mehr berappen als geplant. Der Genehmigung verweigerten die Mitglieder des Finanzausschusses die Zustimmung. Vor allem die Kommunikation seitens der Verwaltung lasse zu wünsche übrig. "Das ist nicht optimal gelaufen. Ich habe das mit dem Fachbereich besprochen und bitte um Entschuldigung", räumte Bürgermeisterin Christina Winkelmann Fehler ihres Hauses ein.

Außerdem sieht die Politik die Finanzierung der Mehrausgabe kritisch. Das Geld solle, so der Vorschlag aus der Kämmerei, aus den Mitteln für die Beseitigung eines Wasserschadens in der Kita genommen werden. Allerdings sei unklar, wie viel Geld in diesem Topf noch verfügbar sei. Die Entscheidung wurde vertagt. Mehrausgaben für andere Maßnahmen, die teuerer als ursprünglich geplant geworden sind, genehmigte der Ausschuss einstimmig.

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