Christine Rohlfs sorgt sich um ihre Gesundheit und die ihrer Kinder. Nicht weit von ihrem idyllischen Zuhause im Landkreis Diepholz wird ein neuer Maststall gebaut. 39.900 Hähnchen soll die Anlage im Asendorfer Ortsteil Hardenbostel fassen. Eine Bürgerinitiative, deren Vorsitzende Christine Rohlfs ist, hat Widerspruch gegen das bereits genehmigte Bauvorhaben eingelegt. „Wir haben Angst vor den Keimen“, betont sie.
Familie Flentje will den neuen Stall bauen. Bisher hat die Landwirtsfamilie Schweine gemästet. Der Sohn aber sieht seine Zukunft offenbar in der Hähnchenmast. Schweine werfen keinen Gewinn mehr ab, und die viel zitierte Hähnchenblase ist geplatzt. Mit Masthähnchen lässt sich also wieder Geld verdienen. Doch die Hähnchenmast ist wegen ihrer Emissionen noch umstrittener als die Schweinemast. So nennt sich die örtliche Bürgerinitiative denn auch „Initiative für gesunde Luft – für uns und unsere Kinder“.
Der zuständige Fachdienstleiter beim Landkreis Diepholz, Stephan Maaß, bestätigt, dass der Bau bereits am 26. März genehmigt wurde. Während der anschließenden Vier-Wochen-Frist seien fünf Widersprüche eingegangen. „Wir werden das sehr genau prüfen“, sagt Maaß und lässt keinen Zweifel daran, dass die Baugenehmigung erst rechtskräftig wird, wenn die Bedenken ausgeräumt sind.
„Der Maststall ist ohne zertifizierte Filteranlage genehmigt worden“, sagt Christine Rohlfs. Der Landkreis dementiert. Stephan Maaß: „Wir haben Auflagen gemacht. Ohne zertifizierte Filteranlage darf die Anlage nicht betrieben werden.“ Der Filter ist der Bürgerinitiative deshalb so wichtig, weil sich die Mitglieder vor multiresistenten Keimen fürchten. Die entstehen bei Antibiotika-Missbrauch im Stall und verbreiten sich über die Luft in die Umwelt. Gegen MRSA hilft kein Antibiotikum mehr.
Auch Lutz Neubauer, Arzt und Grundwasserexperte des Nabu, erklärt, dass die Langzeitauswirkungen der Belastungen von Luft und Wasser nicht abzuschätzen sein. „Die Grenzwerte zielen auf einige Jahre ab. Aber was bedeuten Abgase und Abluft aus Ställen über Jahrhunderte, über Jahrtausende?“
Und: Der Betrieb habe gar nicht genug Futterflächen für so viele Hähnchen, meint die Bürgerinitiative. Auch sei nicht klar, wo die Exkremente der Tiere entsorgt werden sollen. In der Tat hat der Landkreis die Ver- und Entsorgung des Stalls nicht selbst geprüft. Über die Futterfrage entscheidet die Landwirtschaftskammer, über die Güllefrage die neu geschaffene niedersächsische Güllebehörde. Beide hätten positiv entschieden, so Stephan Maaß.
Die Bauherrin selbst will sich in der Öffentlichkeit nicht zu ihrem Projekt äußern. Iris Flentje hat offenbar schon genug Anfeindungen erlebt. „Wer etwas wissen will, kann gern zu mir kommen“, erklärt sie gegenüber dem WESER-KURIER. Bei Bürgerversammlungen hatte sie viel Kritik, insbesondere von den direkten Nachbarn, einstecken müssen. Dabei wurden diese nach Angaben der Flentjes frühzeitig über das Bauvorhaben informiert.
Die Bürgerinitiative jedenfalls hat den Kampf gegen den Maststall noch nicht aufgegeben und sich weitere Unterstützer mit ins Boot geholt. So wird die Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung am Sonnabend Messungen vornehmen und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft will juristisch gegen den Bau vorgehen. „Wir haben nichts gegen Landwirte“, sagt Christine Rohlfs, aber so ein großer Hähnchenmaststall sei nun einmal eine gesundheitliche Belastung für alle.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) klagt erneut gegen eine Genehmigung des Landkreises Vechta, wonach der Geflügelschlachthof in Lohne zusätzliche 250.000 Kubikmeter Grundwasser im Jahr verwenden darf. „Wir sehen eine Gefahr für die Moore“, sagt Ludger Frye von der Nabu Kreisgruppe Vechta. Die zum Wiesenhof-Konzern gehörende Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH schlachtet in Lohne nach Unternehmensangaben 250.000 Hähnchen pro Tag. Aktuell verfügt der Schlachthof nach Angaben des Landkreises über die Genehmigung für die Entnahme von 550.000 Kubikmeter Grundwasser im Jahr. Landkreissprecher Jochen Steinkamp bestätigt den Eingang der Klage, will sich zum laufenden Verfahren aber nicht äußern.
Der Nabu hatte schon einmal erfolgreich gegen den Landkreis geklagt. Daraufhin wurde die Genehmigung für die Entnahme von eben jenen 250.000 Kubikmetern Grundwasser im Jahr entzogen. „Wir können den Schlachthof nicht mehr verhindern, aber wir können für eine umweltverträgliche Grundwasserentnahme kämpfen“, so Umweltschützer Frye. Der Schlachthof war vor zwei Jahren abgebrannt. Das Feuer vernichtete große Teile der Anlage. Nach dem Wiederaufbau für 140 Millionen Euro handelt es sich um eine der modernsten Geflügelschlachtanlagen Europas und eine der größten in Deutschland. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben eine Genehmigung für die Schlachtung von maximal 270.000 Hähnchen am Tag.