Die niedersächsische Ärztekammer ist in die Kritik geraten, weil sie 22 Millionen Euro in den Rücklagen gebunkert hat. Mediziner halten diese Summe für zu hoch und fordern eine Senkung oder gar Aussetzung der Beiträge.
Die Kammer ihrerseits argumentiert mit der anstehenden Sanierung des Ärztehauses in Hannover. Der Landesrechnungshof prüft die Finanzen. Der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel kritisiert die Höhe der Rücklagen scharf. Seiner Meinung nach hat das niedersächsische Gesundheits- und Sozialministerium als zuständige Aufsichtsbehörde versagt.
Der Landesrechnungshof (LRH) bestätigt, dass die niedersächsische Ärztekammer zum 31.12.2014 insgesamt 22 Millionen Euro Rücklagen hatte. In einem vorläufigen Prüfbericht hatte der LRH die Summe als zu hoch kritisiert. Ein endgültiges Prüfergebnis wird für September erwartet. LRH-Sprecherin Jasmin Rex erklärt auf Nachfrage: „Eine Kammer kann für bestimmte Zwecke wie etwa die Sanierung eines Gebäudes Rücklagen bilden. Gleichwohl haben wir Zweifel daran, dass Rücklagen in dieser Höhe angemessen sind.“
Womit diese Zweifel begründet sind, erklärte die Sprecherin mit Verweis auf die andauernde Prüfung nicht. Bereits im vergangenen Jahr hatte der LRH in seinem Jahresbericht moniert, dass das Gesundheitsministerium angesichts der Höhe der Rücklagen keine kritischen Nachfragen gestellt habe. Laut Jahresbericht versäumte es das Ministerium, sich ein umfassendes Bild von der Finanzlage zu machen.
Routinemäßige Prüfung
Die Ärztekammer betont, dass es sich um eine routinemäßige Prüfung der Finanzen handele. Die Geschäftsführung nehme derzeit eine „umfassende Neubewertung der Höhe aller Rücklagen der Ärztekammer Niedersachsen“ vor. Dazu werde auch der Sanierungsbedarf des Ärztehauses in Hannover sowie die Errichtung eines Sitzungssaals ermittelt.
Bis zur endgültigen Klärung soll die Baumaßnahme nicht umgesetzt werden. Erst im November werde der Vorstand über die Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen entscheiden. Die niedersächsische Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) betrachte die aktuell diskutierten Rücklagen als „nicht problematisch“, betont die Ärztekammer in einer Pressemitteilung.
Das Gesundheitsministerium erklärt auf Nachfrage, dass die verbesserte finanzielle Situation der Ärztekammer erst nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung 2013 deutlich geworden sei. Anschließend habe die Kammer die Beiträge gesenkt. Laut Ärztekammer zahlten die rund 40.000 Mitglieder zunächst 15 Prozent weniger (2014), dann 25 Prozent (2015) und nunmehr 15 Prozent. Zudem wurden Kammermitglieder im Ruhestand für die Jahre 2015 und 2016 von Beitragszahlungen befreit.
Bremer Wirtschaftsprofessor übt Kritik
Der Sprecher im Gesundheitsministerium, Uwe Hildebrandt, erklärt mit Blick auf die anstehende Gebäudesanierung: „Bezüglich des Umfangs der Rücklage muss die Ärztekammer indes auch berücksichtigen, dass künftig Investitionen in großem Umfang zu leisten sind.“ Im Übrigen bewegten sich die Beiträge im bundesweiten Vergleich im üblichen Rahmen.
Der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel übt scharfe Kritik an der Höhe der Rücklagen. Üblich sei eine Rücklage, mit der die Kammer im Falle einer Insolvenz bis zu sechs Monate weitergeführt werden könnte. Dies entspreche einer Summe von zwölf Millionen Euro, mithin seien zehn Millionen Euro zu viel gebunkert worden. Diese Art der Vermögensbildung widerspreche einer Körperschaft öffentlichen Rechts, in der die niedersächsischen Ärzte ja Zwangsmitglied sind.
"Sozialministerium hat hier versagt"
Sieben Millionen Euro habe die Ärztekammer in Wertpapieren und 13,5 Millionen Euro auf Festgeldkonten angelegt. Wenn soviel Geld auf der hohen Kante liege, so Hickel, müssten entweder die Beiträge gesenkt oder aber die Leistungen erhöht werden. Hickel ist übrigens gegen eine Senkung der Beiträge, vielmehr sollte die Ärzterepräsentanz auf dem Lande gestärkt werden, betont der Wirtschaftsexperte. Hickel: „Die Aufsicht durch das Sozialministerium hat hier versagt.“
Der Landesvorsitzende des niedersächsischen Hartmannbundes Bernd Lücke ist im Urlaub und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ hatte Lücke erklärt, dass das hohe Vermögen der Ärztekammer eine unzulässige Vermögensbildung sei. Vor dem Verwaltungsgericht in Stade klagt seit Kurzem ein Arzt gegen seinen Beitragsbescheid. Das wurde vom Gerichtssprecher bestätigt. Der Kläger beruft sich offenbar auf das Kammergesetz für Heilberufe, wonach Beiträge nur dann erhoben werden, wenn sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stehen.