Hannover/Berlin. Der Wolf stellt die Schäfer vor ungeahnte Probleme. Um ihre Herden zu schützen, setzen sie vermehrt Hunde ein. Doch das geltende Tierschutzrecht schreibt selbst auf Naturschutzflächen teure Schutzhütten vor, die von den Hunden meist gar nicht genutzt werden. Auch ist die Haltung von Hunden hinter Stromzäunen gesetzlich verboten. Dabei bieten gerade die zusätzlichen Schutz vor Wölfen für die Schafe. Deshalb hat ein Bündnis aus neun Landwirtschaft-, Natur- und Tierschutzverbänden nun einen Entwurf für eine Reform der Tierschutz-Hundeverordnung vorgelegt.
„In den deutschen Wolfsgebieten sind Herdenschutzhunde angesichts der Rückkehr des Wolfes für viele Betriebe unersetzlich geworden, weshalb ihr Einsatz rechtssicher möglich sein muss“, fordert der Deutsche Tierschutzbund in einer Pressemitteilung. Anstelle des Hüttenzwangs sollte vorgeschrieben werden, dass Herdenschutzhunde ausreichend Möglichkeiten des Witterungsschutzes vorfinden müssen, beispielsweise durch Büsche, Bäume und andere Unterstände. Auch die Haltung hinter Strom führenden Zäunen soll während der „Arbeitszeit“ erlaubt sein, fordert der Tierschutzbund, allerdings nur sofern die Tiere genug Raum haben, um Abstand zu den Einfriedungen zu halten.
„Wir brauchen Rechtssicherheit“, sagt auch der Vorsitzende des Bundesverbandes der deutschen Berufsschäfer, Andreas Schenk. Der Verband vertritt 989 Schäfereien, die noch im Haupterwerb tätig sind. Ihre Zahl ist nach Angaben des Verbandes in den vergangenen fünf Jahren um 13 Prozent zurückgegangen. „Wir haben ohnehin schon wirtschaftliche Probleme und können uns keine juristischen Auseinandersetzungen über die Haltung der Herdenschutzhunde leisten“, so Schenk. Er ist froh, dass sich ein Bündnis zusammengefunden hat, um zumindest die nationale Rechtslage an die neuen Bedürfnisse anzupassen. „Von Europa gibt es keine Hilfe“, weiß Schenk.
„Wir werden mit dem Wolf leben müssen“, sagt Schenk. Er macht sich keine Illusionen, denn der Wolf ist in Europa streng geschützt. Die Herdenschutzhunde leisteten einen wertvollen Beitrag zum Schutz vor dem Wolf, betont der Vorsitzende. Anders als Hütehunde verstünden sich die als Teil der Herde.
2500 Euro pro Tier und Jahr
Schenk erklärt den Unterschied: „Ein Border Collie hält die Herde zusammen. Ein Pyrenäenberghund hingegen verteidigt die Herde.“ Jeder Herdenschutzhund kostet den Weidetierhalter nach Angaben der Schäfer 2500 Euro im Jahr. Hinzu kämen Aufwendungen für die Anschaffung und den Unterhalt von wolfsabweisenden Zäunen. „Wir können die Kosten nicht alleine tragen“, betont Schenk und fordert Hilfe bei der Politik ein.
In Niedersachsen regelt die „Richtlinie Wolf“ etwaige Zuwendungen für Präventionsmaßnahmen. Einen Rechtsanspruch auf Unterstützung haben die Schäfer jedoch nicht. Sie bekommen maximal 80 Prozent der Anschaffungskosten erstattet, ganz gleich ob es um Zäune oder um Hunde geht. Die Obergrenze für die Hilfe vom Land liegt bei 30 000 Euro im Jahr. Nach Meinung von Schenk geht die Regelung an der Praxis vorbei: „Die Anschaffungskosten machen bei einem Zaun gerade einmal fünf Prozent der Gesamtkosten aus. 95 Prozent sind Arbeitskosten und die werden nicht bezuschusst.“ Bei Hunden seien es vor allem die Folgekosten für Futter, Versicherung und Tierarztbesuchen, die für den Halter zu Buche schlagen.
Gerade in touristischen Regionen wie der Nordseeküste oder der Heide in Niedersachsen sind Herdenschutzhunde ein Thema. Denn das Einzäunen auf wechselnden Weiden am Deich und in der Heide ist mit viel Arbeit verbunden. Urlauber müssten sich vor den Herdenschutzhunden nicht fürchten, betont Schenk, solange sie ihnen mit Respekt begegnen. Er rät: „Auf keinen Fall provozieren oder gar streicheln. Einfach weiter gehen und die Hunde ihre Arbeit machen lassen.“ Spaziergänger, die mit Hund in einem Schafgebiet unterwegs sind, müssen ihn ohnehin anleinen. Entsprechende Hinweisschilder finden sich beispielsweise an den Deichen entlang der Weser und an der Nordseeküste.
Die Verbände verstehen ihren Entwurf für eine Reform der Tierschutz-Hundeverordnung als Vorschlag für einen rechtssicheren Umgang mit Herdenschutzhunden. Hinter dem Entwurf steht nicht nur der Bundesverband der Berufsschäfer, die Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde und der Grünlandverband, sondern auch Umweltorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz, der Naturschutzbund und der WWF. Auch Tierschutzorganisationen wie der Deutsche Tierschutzbund und der International Fund for Animal Welfare und die Vereinigung der Freizeitreiter und Fahrer sind dabei. Niedersachsens Schäfer sind von der Problematik besonders betroffen, weil hierzulande inzwischen 13 Wolfsrudel heimisch sind.
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