Großes Lob von der Industrie, gepfefferte Proteste von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen: Niedersachsens rot-grüne Landesregierung will die Gasförderung mit der umstrittenen Fracking-Methode weiter zulassen – wenn auch unter strengen Auflagen.
Mit einem Erlass wollen Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) und Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das seit drei Jahrzehnten praktizierte Fracking bei konventionellen Gas-Lagerstätten in dichten Gesteinsschichten („tight gas“) vorschreiben. Risiken für Grundwasser, Böden, Tiere und Pflanzen müssen dabei ausgeschlossen werden. Von einem generellen Ausstieg aus der umstrittenen Fracking-Methode oder zumindest einem Moratorium wie etwa in Nordrhein-Westfalen ist jedoch nicht die Rede. Lediglich für ein Verbot der hydraulisch-chemischen Gewinnung aus den deutlich höher und somit näher am Grundwasser gelegenen Schiefergasvorkommen spricht Rot-Grün sich aus.
„Wir begrüßen, dass sich die Landesregierung damit zur heimischen Gasförderung bekannt hat“, sagte der Deutschland-Chef des Förderunternehmens Wintershall, Joachim Pünnel, gestern in Hannover. „Niedersachsen muss die Vorreiterrolle spielen, und zwar schnell“, sagte der Ingenieur mit Blick auf die stockende Reform des Bundesbergrechts. Mehrere Tausend Arbeitsplätze seien in Niedersachsen bei einer weiteren Blockade des Frackings gefährdet. Ein Drittel der heimischen Produktion sei inzwischen „tight gas“; ohne diese werde es in zehn bis 15 Jahren in Niedersachsen „nahezu keine Förderung“ mehr geben. „Wir brauchen Planungssicherheit, wir wollen investieren“, betonte Pünnel.
So warte Wintershall seit mehr als zwei Jahren auf die Genehmigung zum Fracking im Bohrfeld Düste Z 10 bei Barnstorf (Kreis Diepholz). Bis zu 40 Milliarden Kubikmeter Gas werden dort in 4000 Meter Tiefe vermutet; 20 Millionen Euro hat das Kasseler Unternehmen dort bereits investiert. „Die Bohrung ist abgeteuft (senkrecht gebohrt, Red.) und will nur noch stimuliert werden“, mahnte Pünnel eine schnelle Entscheidung des Bergamtes an. Alle Bedingungen der von Rot-Grün geplanten UVP mit Ausnahme der förmlichen Bürgerbeteiligung seien dort längst erfüllt. Gemeinde und örtlicher Wasserversorger unterstützten das Vorhaben.
Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst, um damit Risse zu erzeugen, aus denen das Gas entweichen kann. Wintershall verwies darauf, dass die hydraulische Bohrlochbehandlung bei konventionellen Gasvorkommen in großer Tiefe unter einem stabilen Deckgebirge mit der in den USA wegen etlicher Umweltschäden in Verruf geratenen Schiefergas-Förderung aus höheren Bodenschichten nicht vergleichbar sei. Bei der ersten Methode erfolgten pro Jahr fünf bis zehn Bohrungen mit jeweils höchstens zehn Fracs. Im Schiefergas seien es dagegen 10 000 Bohrungen jeweils mit bis zu 30 Fracs. Außerdem sei hier pro Frac die fünffache Menge an Fracking-Flüssigkeit notwendig.
Dieser Unterscheidung folgt im Prinzip auch Rot-Grün: Ja mit Auflagen für konventionelles Fracking, ein faktisches Verbot für die riskantere Schiefergasgewinnung. Umweltverbände und betroffene Anwohner sehen das jedoch ganz anders. Der Erlass sei eine „industriefreundlich weich gespülte Regelung“, bemängelte Hartmut Horn von der Bürgerinitiative „Frackloses Gasbohren im Landkreis Rotenburg“. Wirtschafts- und Umweltminister „schielen nur auf den Profit, den die Förderung mit Fracking in Zukunft für den niedersächsischen Landeshaushalt abwirft“.
Gefahren wie Erdbeben, die mögliche Verseuchung des Grundwassers und die ungelöste Entsorgung der Fracking-Flüssigkeiten würden ausgeblendet, kritisierte der Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Mit dem Erlass schaffe die Landesregierung vollendete Tatsachen und würge den Dialogprozess ab. „Wir sind von Lies und Wenzel enttäuscht“, schimpfte Andreas Noltemeyer von der Bürgerinitiative „No Fracking Völkersen“ im Landkreis Verden. Entgegen ihrer Ankündigung „springen die beiden Minister auf den Zug der Industrie auf“.