Mehr Geld für Krankenhäuser, Landesbauten und Straßen, mehr Lehrer, mehr Polizisten, mehr Justizangestellte. Trotz dieser enormen Ausgaben will Niedersachsens Landesregierung ab 2018 keine neuen Kredite mehr aufnehmen.
Die schwarze Null auf dem 200-Gramm-Marzipanblock bestand zwar nur aus gefärbtem Sperrholz, aber für ein paar symbolische Bilder reichte es allemal: Niedersachsens rot-grüne Landesregierung feierte sich mit dem Naschwerk für den soeben abgeschlossenen Doppelhaushalt der beiden kommenden Jahre. Und darin tauchen ab 2018 keine neuen Kredite mehr auf – zwei Jahre vor der grundgesetzlich vorgeschriebenen Schuldenbremse und zwei Jahre vor den bisherigen eigenen Zielen.
„Erstmals in der 70-jährigen Landesgeschichte gelingt es uns, ohne die Aufnahme zusätzlicher Kredite auszukommen“, lobte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag in Hannover seinen Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) und natürlich auch sich selbst.
Anderthalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl verkündeten die beiden nach ihrer – laut Teilnehmern höchst harmonischen – Haushaltsklausur im Landesmuseum trotz immenser Ausgaben für die Flüchtlinge eine ganze Reihe von Wohltaten für Land und Leute.
Füllhorn und Schuldenschnitt
Kräftig steigende Steuereinnahmen, extrem niedrige Zinsen und eine Umschichtung der 900-Millionen-Euro-Rücklage mit nicht in Anspruch genommenen Altkrediten machen Füllhorn und Schuldenschnitt gleichzeitig möglich. Davon profitieren vor allem die Kommunen, sie bekommen noch im laufenden Jahr 580 Millionen Euro mehr zur Bewältigung der Flüchtlingskosten. Dazu will Rot-Grün nach der Sommerpause einen Nachtragshaushalt für 2016 beschließen. In den Folgejahren gibt es dann jeweils rund 200 Millionen Euro obendrauf.
Daneben sieht der Doppeletat 2160 zusätzliche Lehrerstellen vor. „Unser Ziel ist die 100-prozentige Unterrichtsversorgung“, erklärte Schneider. Außerdem will die Regierung damit die Ganztagsbetreuung weiter ausbauen. Mehr Geld gibt es auch für die Polizei: In den nächsten beiden Jahren sollen jeweils zusätzlich 150 neue Anwärter eingestellt werden; außerdem steigen die Zulagen für Dienste nachts und an Wochenenden.
Gestärkt wird auch die Akademie für Brand und Katastrophenschutz mit ihren Stadtorten bei Celle und in Loy. Neben zusätzlichen Ausbildern und Servicekräften gibt es auch ein nagelneues, modernes Übungszentrum für Feuerwehrleute. Allein dafür stehen 2018 rund 20 Millionen Euro bereit.
Mehr Personal
Gerichte und Staatsanwaltschaften bekommen ebenfalls mehr Personal, jeweils 100 Stellen vor allem in der mittleren Beschäftigungsebene. Wegen der wachsenden Anzahl politisch motivierter Straftaten erhält das Oberlandesgerichts Celle einen zweiten Staatsschutzsenat.
Auf insgesamt 30 Milliarden Euro steigt der Etat 2017, auf 30,55 Milliarden Euro im Folgejahr. Jeder Bereich kann dabei ein teilweise sattes Plus verzeichnen. So verdoppelt Rot-Grün bei den Krankenhäusern mit einem Sondervermögen den Investitionstopf auf 1,4 Milliarden Euro bis 2020. „Damit werden wir den größten Teil des Sanierungsstaus abbauen können“, kündigte Weil an.
Für die Sanierung von Landesstraßen gibt es ebenso aufgestockte Finanzspritzen wie für Kitas, ein neues Finanzamt in Stade, Deichbau und Fließgewässerprogramme. „Diese Vorsorge zahlt sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch aus“, meinte Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) mit Blick auf die immensen Hochwasserschäden nach den Starkregenfällen in den vergangenen Wochen.
„Trickreiche Täuschung“
Als „Ausgabenfeuerwerk auf dem Rücken der Steuerzahler“ kritisierte FDP-Finanzpolitiker Christian Grascha das Zahlenwerk. Statt zu konsolidieren habe Schneider lieber alle Wünsche seiner Kabinettskollegen erfüllt. Die Haushaltsklausur sei wohl eher ein „Wellness-Wochenende“ gewesen. Die „schwarze Null“ sei eine trickreiche Täuschung, da sie nur mit Entnahmen aus der Rücklage erreicht werde. Diese aber seien nicht anderes als verkappte Schulden.
CDU-Fraktionsvize Reinhold Hilbers bezeichnete den Etat als „halbherzig und zu spät“. Angesichts der herausragenden Rahmenbedingungen hätte der Finanzminister schon 2017 die Schulden auf null fahren können und müssen. Stattdessen greife er „noch mal in die Vollen“. Trotzdem vernachlässige Rot-Grün aber Straßen, Häfen und Breitbandausbau.
Unzufrieden zeigte sich auch der Niedersächsische Beamtenbund (NBB). „Die vorgesehenen Erhöhungen der Bezüge sind eine Farce“, schimpfte NBB-Chef Friedhelm Schäfer. „Damit festigt die Landesregierung die Unattraktivität des Landes als Arbeitgeber und gefährdet so den Standort Niedersachsen.“ Denn der brauche einen funktionierenden, motivierten Öffentlichen Dienst.
Verhaltenes Lob kam dagegen von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Stellenhebungsprogramm, höhere Zulagen und die Wiedereinführung der Heilfürsorge seien richtige Signale, mit denen die Regierung die wichtige und gefahrenträchtige Arbeit der Polizisten würdige, erklärte GdP-Chef Dietmar Schilff. Man werde jetzt aber „genauestens im Auge“ behalten, ob diese Schritte wirklich die Situation der Polizei und damit der inneren Sicherheit nachhaltig verbesserten.
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