Direkt hinter dem Eingang am Spender für Handdesinfektion trennt die Apotheke in Hannovers Nordstadt ihre Besucherströme. Links soll man sich anstellen für Arzneimittel, rechts für die kostenlosen FFP2-Masken, die für Menschen mit Risikofaktoren oder ab 60 Jahren bestimmt sind. Diese gibt es laut aufgehängtem Schild aber nur für „Stammkunden“. So verlangt der Apotheker auch sofort nach einem Ausweis. Und prüft hinter dem Ladenraum in seinem Computer anhand der dort gespeicherten Rezeptdaten, ob man hier tatsächlich ein- und ausgeht. „Sie sind bei uns nicht registriert“, bescheidet der Mann seinem Ü-60-Kunden. „Aber Sie wohnen ja hier um die Ecke; dann geht das jetzt mal in Ordnung.“ Sagt’s und schiebt drei unverpackte Masken in einem weißen Papiertütchen mit dem roten Apotheken-A über den Tresen.
Aus anderen Häusern gibt es Klagen über lange Warteschlangen und überzogene Kontrollen. Eine Apotheke drehte einem 64-Jährigen gar als schnellen Ersatz ein Fünfer-Päckchen mit dem medizinischen Mund-Nasen-Schutz für 24,95 Euro an. Für Beschwerden erklärte sich eine Sprecherin von Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) in Hannover allerdings unzuständig. Dies sei Sache des Bundes; das Ressort von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe die Abgabemodalitäten per Erlass vom 14. Dezember detailliert geregelt.
Von „Stammkunden“ als Anspruchsberechtigte ist dort jedoch nichts zu lesen, wohl aber sehr viel über die üppige Kostenerstattung. Für die erste Rutsche mit drei kostenlosen Masken in diesem Jahr erhalten die Apotheken gemäß Paragraf 5 eine Pauschale aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Ab Januar kassieren die Apotheken dann für jede weitere Maske, die sie gegen Bescheinigung der Krankenkasse und geringe Eigenbeteiligung an besonders gefährdete Personen abgeben, sechs Euro vom Staat – bei den mittlerweile üblichen Einkaufspreisen von rund einem Euro ein lukratives Geschäft.
„Relativ chaotisch und bürokratisch“, nennt FDP-Sozialpolitikerin Susanne Schütz dieses Verteilsystem, das zudem noch viel zu spät komme. Ärzte sollten den wirksamen Mund-und Nasen-Schutz einfach verschreiben dürfen, schlug die Landtagsabgeordnete am Donnerstag in Hannover vor. Vor allem Senioren- und Pflegeheime sollten ausreichend Kontingente erhalten, damit sie neben ihren Mitarbeitern auch jeden Besucher mit FFP2-Masken ausstatten könnten.
Der wichtigste Punkt zum Schutz besonders gefährdeter Menschen sei aber eine umfassende Teststrategie in den Einrichtungen. „Wir müssen testen, testen, testen, am liebsten jeden Tag“, erklärte Schütz. Die SPD/CDU-Landesregierung müsse ihre neue Corona-Verordnung in diesem Punkt dringend nachbessern, forderte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner. Paragraf 14 des aktuellen Regelwerks sieht lediglich zwei Antigen-Schnelltests pro Woche für alle Beschäftigten einschließlich Praktikanten und ehrenamtlichen Helfern vor.
Besucher von Seniorenheimen müssen sich laut Verordnung nur testen lassen, wenn der Sieben-Tage Inzidenzwert in der betreffenden Kommune die Zahl von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner übersteigt. Hier will die FDP jeden Besucher unabhängig von Ansteckungszahlen zum Schnelltest verpflichten. Die Sach- und Personalkosten auch für solche Tests bekämen die Heime erstattet. „Wenn alle, die kommen und gehen, regelmäßig getestet werden, müssen wir nicht mehr die Bewohner damit ärgern“, meinte Schütz. „So angenehm ist das Testen ja nicht.“
Sozialministerin Carola Reimann (SPD) wies diese Forderungen als unpraktikabel und unverhältnismäßig zurück. „Wichtig ist mir eine möglichst effiziente Teststrategie. Das heißt, wir wollen den größten Nutzen bei verantwortbarem Einsatz der Kapazitäten erreichen“, sagte die Ressortchefin dem WESER-KURIER. Zur Minimierung der Wahrscheinlichkeit eines folgenschweren Ausbruchs in einem Altenheim ermögliche die Teststrategie in der neuen Verordnung einen „hohen und dabei verhältnismäßigen Grad an Schutz“.
FDP will Studenten heranziehen
Die FDP will dagegen für den erhöhten Aufwand zusätzliches, auch fachfremdes Personal heranziehen. So könnten Studenten oder Mini-Jobber, denen durch den Lockdown die Nebenjobs weggebrochen seien, nach einer entsprechenden Schulung die Tests durchführen. Auch der vom Land geförderte Einsatz von vollautomatischen, molekulardiagnostischen Minilaboren sei möglich, sagte Schütz. Wenn die Kapazitäten nicht ausreichten, müsse man notfalls auch die Besucherzahlen begrenzen. Das sei allemal besser, als die Einrichtung komplett zu schließen, meinte die Abgeordnete. Das Virus trifft pflegebedürftige Senioren besonders hart. Laut Landesgesundheitsamt waren rund 86 Prozent der bislang an oder mit Corona 1560 Verstorbenen in Niedersachsen über 70 Jahre alt.
Fraktionschef Birkner betonte, dass es bei dem Konzept um einen besonders wirksamen Schutz von Menschen höheren Alters und Risikopatienten gehe. Von einer vollständigen Isolation könne dagegen keine Rede sein. „Wir brauchen die richtige Balance zwischen Gesundheitsschutz und Freiheit.“ Damit wies Birkner erneut die Kritik zurück, wonach die FDP vulnerable Gruppen insbesondere in Altenheimen wegsperren wolle, um einen Lockdown zulasten der Wirtschaft zu verhindern.
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