Hannover. Die EU-Antibetrugs-Behörde "Olaf" stellt die millionenschwere Förderung aus Brüssel für den Libeskind-Bau der Uni Lüneburg – und damit die Gesamtfinanzierung des Prestige-Projekts – infrage. In einem Prüfbericht, der dem WESER-KURIER vorliegt, rügt das Amt Tricks und Täuschungen der Uni-Spitze bei der Auftragsvergabe.
Vier konkrete Verstöße gegen Vergabe- und Förderrichtlinien listen die Betrugsbekämpfer der EU-Behörde "Olaf" in ihrem Bericht auf: Die Leuphana-Universität hat danach in der Planungsphase für das Audimax-Gebäude ihre Ausschreibungspflicht verletzt, die Regeln des Vergabeverfahrens nicht eingehalten sowie Aufträge unzulässigerweise gestückelt und freihändig vergeben. Allein dafür stuft das Amt 192397,50 Euro an veranschlagten EU-Mitteln als "nicht förderfähig" ein.
Darüber hinaus zweifelt die Behörde aber auch den Gesamtzuschuss aus Brüssel von 10,4 Millionen Euro für das rund 58 Millionen Euro teure Projekt an. "Die Kosten für den Bau des neuen Zentralgebäudes sind möglicherweise nicht vollständig gedeckt, und der Bau entspricht möglicherweise nicht den Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit", schreiben die Prüfer. Zudem rügen sie unterschiedliche Flächenangaben in diversen Unterlagen. "Die Berechnung der Quotelung für die EU-Förderung ist nicht nachvollziehbar." Hier sei dringend eine Untersuchung anderer Dienststellen der EU-Kommission geboten. Weder Uni noch Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen Kljajic (Grüne) wollten den Bericht kommentieren
Detailliert geht die Behörde mit dem Konstrukt der Berufung des New Yorker Stararchitekten Daniel Libeskind zum Leuphana-Professor ins Gericht. Schon vor dessen Anstellung im Juni 2007 habe ein Entwurf des Zentralgebäudes existiert; die Uni habe den Lehrposten eigens und mit Billigung des damals CDU-geführten Wissenschaftsministeriums auf Libeskind "zugeschnitten", um dessen Pläne später ohne Ausschreibung realisieren und seine Architektentätigkeit im Rahmen der Lehrtätigkeit als "Eigenleistung" der Uni verschleiern zu können. Hier sei "ein klarer Umgehungscharakter zu erkennen". Merkwürdig erscheint "Olaf" dabei ein Seminar für Lüneburger Studenten in New York 2007. Ihnen sei "vorgegaukelt" worden, noch Ideen für den tatsächlich schon durchgeplanten Neubau erbringen zu können.
Dicke Fragezeichen machen die EU-Prüfer auch bei der Vergütung für Libeskind. 90000 Euro jährlich strich er für seine nebenberufliche W-3-Professorenstelle ein – bei sechs bis zehn Lehrveranstaltungen pro Jahr. Zusätzlich schloss Leuphana mit Libeskind einen Vertrag über 200000 Euro für "baukünstlerische Begleitung", obwohl diese doch von der Lehrtätigkeit hätte abgedeckt werden sollen. Daneben sieht "Olaf" Hinweise, "dass es möglicherweise zu Versuchen gekommen ist, über Umwege Zahlungen an Daniel Libeskind zu leiten" – etwa über beteiligte und befreundete Architektenbüros. Wegen dieser Vorgänge um Anstellung und "sporadische Lehrtätigkeit" könnten sich "Hinweise auf eine mögliche Vorteilsnahme im Amt oder auf Untreue ergeben", folgert "Olaf". Deshalb übermittle man diese Aspekte an die zuständige deutsche Justizbehörde – die Staatsanwaltschaft Verden.
Dort war man bereits im Herbst 2011 mit Unregelmäßigkeiten rund um den Libeskind-Bau befasst. Mangels hinreichenden Tatverdachts habe man damals jedoch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft unserer Zeitung. Ob es dabei um unzulässige Verwicklungen von Vize-Präsident Holm Keller ging, wollte er nicht sagen.
Im "Olaf"-Bericht nehmen Holms frühere Verbindungen zur Firma Rheinzink, die die Außenhülle des neuen Zentralgebäudes als Sponsoring-Leistung erbringen will, sowie dessen Geschäftsverbindungen zu Libeskind breiten Raum ein. Uni-Vize und Stararchitekt hatten danach gemeinsam den Vertrieb von Luxus-Fertighausvillen im Libeskind-Stil geplant. Die Firma "proportion" wurde zwar Ende 2011 aufgelöst. Für die EU-Prüfer ist es hier wie bei Rheinzink aber "zu Interessenkonflikten" gekommen.