SPD Niedersachsen "Fraktion in Aktion" auf Norderney

In drei Gruppen geht es für die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter um Küstenschutz und Erneuerbare Energien, um Gesundheitsversorgung und Wohnraum sowie natürlich um den Tourismus
09.03.2023, 05:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Peter Mlodoch

Auch ein Ministerpräsident kann nicht alles wissen. „Was ist eigentlich Thalasso?“, fragt Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) leise einen mitreisenden Journalisten. Der ist allerdings auch ahnungslos. Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) muss aushelfen: „Das ist eine Art Meerwassertherapie.“  Und genau darauf  sei das schicke Bade-Haus in Norderney ausschließlich spezialisiert, erklärt Kurdirektor Wilhelm Loth. „Wir haben hier nicht den Bauchladen eines normalen Kurmittelhauses.“ Dann darf die Besuchergruppe aus Hannover die großzügigen Umkleiden und das grünlich schimmernde Meerwasser-Schwimmbecken von oben betrachten.

29 Quadratmeter für eine Million Euro

„Fraktion in Aktion“ heißt das Rahmenprogramm der Klausurtagung der SPD-Landtagsfraktion auf der fernen Nordsee-Insel. In drei Gruppen geht es für die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter um Küstenschutz und Erneuerbare Energien, um Gesundheitsversorgung und Wohnraum sowie natürlich um den Tourismus. Und auch um dessen Schattenseiten. 6000 Einwohner hat die Insel. 3,6 Millionen Gäste-Übernachtungen und 600.000 Ankünfte pro Jahr zählt sie. Das Vor-Corona-Niveau ist inzwischen fast wieder erreicht. Für die einen ist sind die Kapazitäten längst gesprengt, die anderen können sich neue Hotels und Unterkünfte durchaus vorstellen. Bei den Einheimischen knirsche es gewaltig, berichtet Experte Loth. Ein Beispiel für die Auswüchse hat der Kurdirektor auch parat: Kurz vor Weihnachten habe eine Einzimmer-Wohnung von 29 Quadratmetern für mehr als eine Million Euro den Eigentümer gewechselt.

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„Eine warme Wohnung darf kein Luxusgut sein“, heißt es in der „Norderneyer Erklärung“, die die 57 Abgeordneten zum Abschluss ihrer zweitägigen Zusammenkunft verabschieden. Mit ganz konkreten Arbeitsauflagen für die rot-grüne Landesregierung, wie Fraktionschef Grant Hendrik Tonne am Mittwoch im Conservationshaus betont. Noch in diesem Jahr werde die im Wahlkampf versprochene Landeswohnungsgesellschaft gegründet. Für das notwendige Personal stehe im Nachtragsetat eine Million Euro parat. „Das soll schnell in die Umsetzung gehen“, verspricht der Vorsitzende.

„Die Gesellschaft wird nicht nur Wohnungen erwerben und sanieren, sondern auch Wohnungen bauen“, kündigt das SPD-Papier an. Bislang war offen, ob das Land selbst in die Neuerrichtung von Wohnbauten einsteigt. Tonne macht sich die Vorschläge von Klausur-Gastexperte Matthias Herter zu eigen, die hierzulande  geltenden engen Normen und Standards auf den Prüfstand zu stellen. Der Wohnungswirtschaftler verweist während der Tagung auf das Beispiel Niederlande, wo mit einer Modulbauweise schnell und günstig Wohnraum geschaffen werde. „Das darf aber nicht die Wohnqualität und den Mieterschutz beeinträchtigen“, stellt der Fraktionschef klar. Ein eigenes „unternehmerisches Engagement“ des Landes können sich die Genossen auch beim Ausbau der Produktionskapazitäten für Solarstrom vorstellen.

13 Millionen Euro für Streifen und Vollzugsbeamte

Als Konsequenz auf zunehmende Angriffe gegen Polizisten und Rettungskräfte will die Fraktion „schnellstmöglich“ die Zulage für Streifen und Vollzugsbeamte erhöhen. 128 Euro monatlich erhalten diese derzeit; künftig soll der Betrag auf 180 Euro steigen. 13 Millionen Euro zusätzlich dürfte dies den Landeshaushalt kosten. „Die große Verantwortung, die Polizistinnen und Polizisten tagtäglich tragen, muss sich auch auf dem Gehaltszettel widerspiegeln“, lautet die deutliche Vorgabe in dem Norderney-Papier. Der Dank der Gewerkschaft der Polizei (GdP) lässt nicht lange auf sich warten. Für Feuerwehrleute soll ähnliches gelten; hier sind allerdings die Kommunen gefordert.  

Um Hass und Hetze im Internet wirksam bekämpfen zu können, fordern die Abgeordneten im Beisein von Justizministerin Kathrin Wahlmann einen effektiven Löschanspruch der Betroffenen gegen die Plattformbetreiber. Diese seien bisher zu lasch, kritisiert Tonne. Das Land werde daher noch in diesem Jahr eine Bundesratsinitiative starten. Opfer digitaler Gewalt sollen danach zeitnah vor ordentlichen Gerichten die Sperrung einzelner Posts oder gar eines ganzen Accounts beantragen können.

Eine wachsende "Schattenjustiz"

Auch der Vorsitzende Richter am Bremer Oberlandesgericht, Klaus-Dieter Schromek, ist als Experte beim großen Thema „Schutz des demokratischen Rechtsstaat“ geladen. Der Jurist warnt vor einer wachsenden „Schattenjustiz“, in der Clans und sogenannte Friedensrichter gewalttätige Streitigkeiten intern untereinander regeln. Zeugen von Straften wollen sich nach solchen Absprachen plötzlich an nichts mehr erinnern. Auch Ehen und Partnerschaften würden auf geheime Weise jenseits deutscher Vorschriften gelöst. „So etwas dürfen wir nicht zulassen“, sagt Fraktionschef Tonne.

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Neben der politischen Arbeit widmen sich die SPD-Parlamentarier wie auch die in Garrel (Landkreis Cloppenburg) parallel tagenden Kollegen von der CDU-Opposition dem gegenseitigen Kennenlernen. 24 der 57 SPD-Fraktionsmitglieder sind im Herbst nach der Landtagswahl neu in das Leineschloss eingezogen. Alle Abgeordneten haben ihr Mandat direkt gewonnen und sind daher mit einem entsprechend großen Selbstbewusstsein ausgestattet. „Es geht hier auf Norderney auch um Teambildung“, berichtet deren Vorsitzender Tonne. „Abseits der Tagesordnung steht Zeit füreinander und Zeit miteinander auf dem Programm.“  Abends in den Inselkneipen und beim rustikal-edlen Buffet im Strandrestaurant „Weiße Düne“ ist zu besichtigen, dass zumindest dieser Punkt recht erfolgreich erledigt wird. 

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