Ein Schirmherr, der nicht nur warme Worte von sich gibt, sondern auch mal Klartext redet, war am Freitag bei der Eröffnung der Tarmstedter Ausstellung zu erleben. Landrat Hermann Luttmann sprach davon, dass sich Landwirte, vielfach zu Unrecht, als Tierquäler und Umweltverschmutzer stigmatisiert fühlten. Zum Teil sei das schlechte Image aber selbst verschuldet, so Luttmann, der den vielen anwesenden Vertretern des Berufsstandes, darunter Bauernpräsident Joachim Rukwied, heftig ins Gewissen redete: „Blühstreifen, Tage des offenen Hofes und Öffentlichkeitsarbeit sind wichtig. Aber die Landwirtschaft muss dringend zwei ernste Probleme lösen: den Medikamenteneinsatz in der Tierhaltung und die Nitratbelastung des Grundwassers.“
Den systematischen Antibiotika-Einsatz bei Masthähnchen nannte Luttmann unverantwortlich. „Damit werden Symptome bekämpft statt die Ursache“, die er mit mangelhaftem Management und fehlender Hygiene benannte. Die Gesellschaft könne sich multiresistente Keime nicht leisten, die Entwicklung neuer Medikamente dauere zwölf Jahre und koste eine Milliarde Euro.
Zu viel Nitrat im Grundwasser
„Große Sorge“ bereite ihm die „fast flächendeckende“ Verseuchung des Grundwassers im Landkreis Rotenburg mit Nitrat, sagte Luttmann. Ursache ist das Ausbringen von Gülle auf die Felder. Dass es auch anders geht, zeigten die Nitratwerte in den Wasserschutzgebieten. „Dank guter Beratung sind die im grünen Bereich“, so der Verwaltungschef. Er sprach sich für eine nachhaltige Landwirtschaft aus: „Kurzfristige Produktionssteigerungen auf Kosten der Natur sind abzulehnen.“ Die Landwirtschaft werde sich nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch weiterentwicklen müssen, „wenngleich ohne ideologische Vorgaben“, wie er gleich anfügte.
Zuvor hatte sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, gegen jedwede Gängelung verwahrt: „Wir brauchen keine Nachhilfe von außen, um uns weiterzuentwickeln.“ Die Branche schreite aus Eigeninitiative voran, was sich beispielsweise daran zeige, dass mancher Stall heutzutage „mit Wellnesszonen“ ausgestattet sei.
Gleichwohl nähmen die Bauern zur Kenntnis, dass Politiker Stimmung gegen sie machten, um Wählerstimmen zu gewinnen. Gleichzeitig befinde sich die deutsche Landwirtschaft in einer schwierigen Phase: „Die Schweinepreise stehen unter Druck, die Milchpreise ebenso, und auch die Preise für Getreide und Raps sind deutlich niedriger als in den letzten Jahren.“ Als wesentlichen Grund für die Misere nannte er das russische Embargo als Folge der Ukraine-Krise. Seine Forderung: „Die Politik muss eine Lösung finden.“
Er glaube fest daran, dass die Landwirtschaft eine Zukunftsbranche sei, machte er seinen Berufskollegen Mut. Ob dies allerdings auch für die deutschen Bauern zutrifft, hänge davon ab, „wie uns Gesellschaft und Politik begleiten“. Die Rahmenbedingungen müssten stimmen. Zu starre Regelungen, wie sie beispielsweise für die neue Düngeverordnung geplant seien, seien nicht hilfreich. Auch chemischer Pflanzenschutz sei notwendig, sonst drohten durch bestimmte Schädlinge totale Ernteausfälle. Zudem dürfe der Schutz der Moore nicht übertrieben werden, sonst werde die Arbeit von Generationen zunichte gemacht – was einer Enteignung gleichkomme. Stattdessen forderte Rukwied: „Der ländliche Raum braucht Bauernfamilien, die von ihrer Arbeit leben können.“
Auf der 67. Tarmstedter Ausstellung präsentieren 700 Aussteller auf dem 180 000 Quadratmeter großen Gelände bis kommenden Montag ihre Produkte und Dienstleistungen. Die Verbrauchermesse gilt als Norddeutschlands größte Regionalausstellung für Landwirtschaft und Tierzucht, Energieeffizienz und Bauen, Haus und Garten, Freizeit und Familie. Weitere Informationen unter www.tarmstedter-ausstellung.de.