Hohenkirchen. Das Wangerland ganz im Osten der Ostfriesischen Halbinsel präsentiert sich im Internet als bevorzugte Urlaubsregion. „Promenaden, Strandkörbe und Fisch-Restaurants mit Meerblick? Aber sicher. Wassersport-Angebote? Was für eine Frage! Und Ruhe, Abgeschiedenheit? Das gibt es auch.“, heißt es prominent auf der Gemeinde-Homepage Wangerland.de. Wer als Tagestourist diese Annehmlichkeiten aufsucht, der wird indessen zuerst von Zäunen und einem Kassenhäuschen empfangen. Der Besuch am Strand kostet – selbst bei Ebbe – nämlich erst einmal drei Euro Eintritt. Wer häufiger kommt, kann eine Saisonkarte kaufen. Eine Überraschung: Im Internet ist von all dem nichts zu lesen.
Das Thema sorgt seit Jahren für reichlich Ärger. Gerade manche Bewohner der Küstenorte Horumersiel und Hooksiel wollten nicht für jedes Luftschnappen am Wasser in die Tasche greifen. Schließlich sind die Strände ihr Hauptnaherholungsgebiet. Der Gemeinderat gab nach: In den Vorjahren durften Einwohner der Gemeinde sowie der angrenzenden Stadt Wilhelmshaven und des Kreises Wittmund nach Zeigen ihres Personalausweises kostenlos an den Strand. Schließlich trügen sie über ihre Gemeindesteuern zur Miete der Küstenflächen vom Land Niedersachsen und zum Betrieb der Infrastruktur bei. Sogar an Geflüchtete mit Wohnsitz in der Region wurde gedacht. Ihnen stellte das Meldeamt in Hohenkirchen eigens eine Bescheinigung aus, damit sie sich als Wangerländer ausweisen konnten.
Saisonkarte kostet 19 Euro
Damit ist zum Beginn dieser Saison allerdings Schluss: Die Ratsleute verlangen nun wieder Eintritt von allen. Der Preis der Saisonkarte wurde zudem leicht auf 19 Euro angehoben. „Uns ergeht es dabei im Kleinen aber wie dem Bund im Großen bei der Autobahn-Maut“, sagt Gemeinde-Bürgermeister Björn Mühlena, der die endlose Diskussion und ein anhängiges Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor zweieinhalb Jahren von seinem Vorgänger erbte. Er meint damit: Eine Diskriminierung darf es nicht geben. Was als Ausländer-Maut EU-rechtlich verboten ist, geht auch als Beitrag nur für Auswärtige nicht.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Falle eines Österreichers, der für einen Freibadbesuch mehr löhnen sollte als die deutschen Gäste, dem Kläger kürzlich Recht gab, wollten sich die Ratsleute offenbar nicht ebenfalls eine juristische Schlappe einfangen.
Gemeinde-Chef Mühlena sieht die Angelegenheit pragmatisch: „Im Freibad zahlen Sie doch auch“, sagt er und verweist auf die im Gegenzug kostenlosen Parkplätze hinter dem Deich. Außerdem spiele das Thema faktisch ohnehin eine untergeordnete Rolle. 2016 wurden nach seinen Angaben nur 1600 Saisonkarten an Auswärtige verkauft. „Das deckt nur einen Bruchteil unserer Kosten“, sagt er. Insgesamt – also mit den Tageseinnahmen – sei die Nutzungsgebühr aber trotzdem ein Geschäft für die Gemeinde. Mit dem Geld müsse nach den Stürmen des Winters häufig auch neuer Sand aufgespült werden. „Mit einer Naturlandschaft hat das also nicht wirklich zu tun“, findet Mühlena.
Genau mit der argumentierten lange Jahre die verbissenen Gegner des Eintrittsgeldes um den früheren Taxi-Unternehmer Janto Just aus der Gemeinde Sande. Die Gerichte sahen aber einen Unterschied zwischen freier Landschaft, die frei zugänglich sein muss, und einem bewirtschafteten Strandabschnitt. Neuerdings sieht Just hingegen eine Ungleichbehandlung der Besucher. Die müssten, ob als Kurgäste mit ihrem Kurbeitrag oder als Tagesbesucher mit ihrer Eintrittskarte, 95 Prozent der Unterhaltskosten für den Strand schultern.
Selbst im Rathaus in Hohenkirchen glaubt man offenbar nicht mehr an eine lange Zukunft des Gebührenmodells, will aber zunächst das Urteil in Leipzig abwarten. „Ich glaube nicht, dass wir in zwei, drei Jahren noch Eintritt nehmen“, sagt Mühlena. Vermutlich würden dann die Parkplätze kostenpflichtig, wie es vielerorts an der Küste, so auch am Wangerländer Strand von Schillig, bereits praktiziert wird.
Die Zäune hingegen sollen unbedingt stehen bleiben. Mit offenen Stränden und Deichen hatte Björn Mühlenas Vorgänger bereits einmal experimentiert. Damals seien Leute mit Offroad-Fahrzeugen und Karts die Deiche rauf und runter gebrettert und hätten die Grasnarbe zerstört. Außerdem machte manches Deichschaf sich ohne die Begrenzung selbständig.
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