Düsseldorf. In der Affäre um die leistungslose Landesbesoldung für den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, werden dienstrechtliche Ermittlungen eingeleitet. „Es muss jetzt eine Behörde das Ganze verwaltungsrechtlich durchermitteln“, erklärte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag in Düsseldorf. In seinem Ministerium lägen derzeit keine Unterlagen über die faktische Beurlaubung von Wendt für seine Gewerkschaftstätigkeit vor.
„Wir haben keine Unterlagen, aus denen hervorgeht, wie und in welcher Weise diese Freistellung erfolgt ist“, sagte Jäger. Auf den ersten Blick sei nicht zu erfassen, „wer da wann mit wem was vereinbart“ habe. Mit der Aufklärung des Falles sei das Landesprüfungsamt für Verwaltungslaufbahnen (LPA) beauftragt worden. Am Wochenende war durch Recherchen des ARD-Magazins „Report“ bekannt geworden, dass der Gewerkschaftsführer seit fast zehn Jahren vom Land Nordrhein-Westfalen als Hauptkommissar bezahlt wird, obwohl er gar nicht mehr im Polizeidienst tätig ist.
Rückforderungen werden geprüft
„Da hat sich möglicherweise in der Verwaltungspraxis etwas verselbstständigt bei Herrn Wendt“, sagte der Minister. Dies müsse jetzt „Zug um Zug“ aufgearbeitet werden. Auch mögliche Rückforderungen der Landesbesoldung seien Gegenstand des dienstrechtlichen Verfahrens. Dabei werde auch geprüft werden, ob Wendt als Landesbeamter für seine vielfältigen publizistischen Tätigkeiten jeweils eine Nebentätigkeitsgenehmigung seiner Dienstbehörde eingeholt habe.
Über die Details der Freistellung von Wendt aus dem Polizeidienst will Jäger erstmals vorvergangenen Freitag erfahren haben. Der Gewerkschafts-Chef hatte seine Behörde offenbar über die „Report“-Recherchen informiert. Dabei hatte der 60-Jährige gleichzeitig um seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gebeten. Seit 2010 wurde Wendt als Hauptkommissar im Duisburger Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) geführt, obwohl er tatsächlich einen Fulltime-Job in seiner Berliner Gewerkschaftszentrale ausübte. Ob der Kommissar im LZPD überhaupt einen Schreibtisch und Telefonanschluss hatte, vermochte Jäger nicht zu sagen. „Vermutlich wird er da eine Planstelle haben.“ Er kenne das Organigramm der Behörde aber auch nicht.
Der Innenminister bestätigte, dass in Nordrhein-Westfalen derzeit weitere Gewerkschaftsführer vom Dienst freigestellt seien. Dies gelte für den NRW-Chef der DPolG, Erich Rettinghaus, ebenso wie für den Landesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler. Im Gegensatz zu Wendt seien diese beiden Gewerkschaftsführer aber als Mitglieder des Hauptpersonalrats im Innenministerium freigestellt worden. Dies ergebe sich aus dem Personalvertretungsgesetz.
Nach dem Fall Wendt werde der „vertretbare Rahmen“ für gewerkschaftliches Engagement während der Dienstzeit „in den nächsten Tagen klar und ohne Interpretationsspielraum definiert“ werden, versicherte der Minister. Auch die Grundlagen für die vollständige Dienstfreistellung von Rettinghaus, dem unmittelbaren Wendt-Nachfolger im DPolG-Landesvorsitz, seien derzeit nicht klar und würden überprüft.
Im Grundsatz verteidigte Jäger die Unterstützung für kleinere und finanzschwache Gewerkschaften durch Freistellungen von Landesbediensteten für ihren Apparat. Gewerkschafter seien häufig als Sachverständige in Anhörungen und Gesetzgebungsverfahren des Landes eingebunden. Es sei „nicht vorstellbar, dass das ausschließlich in deren Freizeit stattfindet“, sagte der Minister. Mit konkreten Freistellungs-Reglungen sei er in seiner bislang siebenjährigen Amtszeit niemals befasst gewesen. „So was wird einem Minister bei 45 000 Beschäftigten in der Regel auch nicht vorgelegt“, versicherte Jäger. Inwiefern seine Amtsvorgänger in den Fall Wendt involviert seien, könne er gegenwärtig nicht sagen.
Bereits am Vortag hatte die Linkspartei gegen Jäger Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue erstattet. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte am Montag den Eingang der Anzeige und die Prüfung eines Anfangsverdachts. Falls Strafermittlungen eingeleitet werden, müsste die Ermittlungsbehörde zunächst die Aufhebung der Immunität von Jäger beantragen, der zugleich auch SPD-Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag ist. „Jeder in Deutschland darf jeden anzeigen“, sagte der Minister. „Das ist jedem unbenommen.“
Unterdessen verlangte die Linkspartei auch den Rücktritt des Innenministers. „Beamte müssen sich jede Freistellung vom Dienst genehmigen lassen“, sagte der Innenexperte der Linken, Jens Prigge. Dies geschehe „nicht auf Zuruf“. Offenbar sei im Falle Wendt allen Beteiligten klar gewesen, dass die rechtlichen Grundlagen für eine bezahlte Beurlaubung nicht vorgelegen hätten. Die Freistellung des konservativen Polizeigewerkschafters sei „offenbar als Deal unter der Hand“ gelaufen, mutmaßte Prigge.