Die Kandidaten hatten es eilig. Noch bevor die Ergebnisse der Vorwahlen in Nevada vorlagen, verließen sie das Spielerparadies im Südwesten der USA. Bernie Sanders feierte seinen Wahlsieg in der „Cowboys Dancehall“ von San Antonio im US-Bundesstaat Texas, wo demnächst eine weitere Vorwahl der Demokraten stattfindet. Vor seinen enthusiastischen Anhängern präsentierte sich der 78-Jährige wie einer, der die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei in Griffweite sieht. „Wir haben eine Koalition zusammengestellt, die über Generationen und Rassen hinausgeht“, erklärte Sanders, der im Bundesstaat Nevada fast die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigte. „Wir werden damit im ganzen Land gewinnen.“ Nach den vorliegenden Teilergebnissen führt er vor dem nächsten Verfolger im Bewerberfeld mit mehr als 20 Prozentpunkten.
Sanders dominierte alle Segmente mit Ausnahme der Wähler über 65 Jahre. Er gewann die Mehrheit von Männern und Frauen, holte mehr als die Hälfte der Stimmen der Latinos, die rund ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, setzte sich bei den Schwarzen durch, den Menschen mit Universitätsabschluss und ohne, den Wohlhabenden und Armen. Eine deutliche Mehrheit sieht den linken „Anti-Establishment“-Kandidaten am ehesten in der Lage, Donald Trump zu schlagen. Mehr als den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden und den jungen Shootingstar der Zentristen Pete Buttigieg, die in Nevada beide um den zweiten Platz rangen.
Kristie Rice (60) gehört zu denen, die vor vier Jahren Trump gewählt hatten. Eine Entscheidung, die sie heute bedauert. „Er hat nicht gehalten, was er versprochen hat“, sagt die Frau aus Las Vegas, die nun Sanders unterstützt. Die USA seien nicht „großartig“ geworden, sondern hätten nun „einen Clown“ als Präsidenten, „der uns überall in der Welt blamiert“. Sanders sei „der Einzige, der wirklich etwas für uns kleine Leute tun will“.
Glaubwürdigkeit ist der stärkste Trumpf für den Senator aus Vermont, der sich mit seinem Versprechen einer staatlichen Krankenversicherung in Nevada sogar bei den Mitgliedern der mächtigen Gewerkschaft des Gastgewerbes durchsetzte, deren Führung ihn nicht unterstützt, weil sie die in Arbeitskämpfen erstrittenen Krankenversicherungen für ihre Mitglieder nicht gegen ein vages Versprechen eintauschen möchte.
Gratulation aus dem Weißen Haus
Experten wie der Politologe Michael Green sehen Sanders nun in einer starken Position, bei den Vorwahlen in 15 Bundesstaaten und Territorien am „Super-Dienstag“ so viele Delegierte zu gewinnen, dass er von seinen Verfolgern nicht mehr eingeholt werden kann. Für die Zahl der Delegierten, die aus Nevada im Sommer zum entscheidenden Nominierungsparteitag zur Kür des Präsidentschaftskandidaten geschickt werden, spielt der Bundesstaat nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings kommt Nevadas Bevölkerungsstruktur mit einem größeren Anteil von schwarzen Amerikanern und Latinos der Struktur der gesamten USA deutlich näher als Iowa oder New Hampshire.
Pete Buttigieg fehlte die Zeit, aus seinen starken Ergebnissen der ersten Vorwahlen Kapital zu schlagen, und er schaffte es nicht, sich als Alternative der Moderaten zu etablieren. Er eilte noch in der Wahlnacht nach Colorado, um sich dort als „Anti-Bernie“ zu positionieren. Elizabeth Warren sprintete in derselben Mission nach Seattle im Bundesstaat Washington, während Joe Biden zu einem Gottesdienst nach South Carolina reiste. Biden feierte sich als „Comeback Kid“, obwohl er mehr als 20 Prozentpunkte hinter Sanders lag. Vor zehn Tagen hatte Biden die Umfragen in Nevada noch angeführt.
Der ehemalige Vizepräsident macht sein politisches Überleben nun von einem Sieg in dem ersten Südstaat mit Vorwahlen abhängig, dessen Wählerschaft zu 60 Prozent aus Afroamerikanern besteht. „Wir leben und wir kommen zurück und wir werden gewinnen“, sagte er. Analysten erkennen darin Wunschdenken, für das es nach den bitteren Niederlagen von New Hampshire und Iowa zu spät sein dürfte. Da weder Biden noch Buttigieg, Senatorin Amy Klobuchar oder Bürgermeister Michael Bloomberg das Feld der Moderaten einen konnten, steuert Bernie Sanders unangefochten auf die Nominierung zu.
Präsident Trump gratulierte Sanders und sagte am Sonntag im Garten des Weißen Hauses, er hoffe, dass die Demokraten ihn fair behandeln. Trump hatte schon am Sonnabend auf Twitter darauf angespielt, dass Sanders die Kandidatur 2016 nur knapp verpasste. „Glückwunsch Bernie, & lass es dir nicht von ihnen wegnehmen!“, schrieb Trump.
Wann die Demokratische Partei in Nevada offiziell Ergebnisse verkünden will, war zunächst unklar. Gewählt wurde im „Caucus“-Verfahren, was deutlich komplizierter ist als eine Abstimmung per Wahlzettel. Bei der ersten Vorwahl im Bundesstaat Iowa, wo ebenfalls nach dem Prinzip abgestimmt wurde, hatte eine technische Panne zu Pro-
blemen bei der Übermittlung von Ergebnissen und erheblichen Verzögerungen geführt. Die Sorge war groß, dass sich das Debakel in Nevada wiederholen könnte. Zunächst wurde lediglich vereinzelt über Probleme mit einer Telefonnummer für die Übermittlung der Ergebnisse berichtet.