Es waren verstörende Bilder, die im Dezember aus Nigeria in den Nachrichten auftauchten. Rund eine Million Impfdosen, noch verpackt in braunen Paketen, landeten auf der Müllkippe. Der Grund: Die Haltbarkeit der Vakzine war abgelaufen. Doch Nigeria stellt keinesfalls einen Einzelfall dar bezüglich der Probleme auf dem afrikanischen Kontinent, die Menschen gegen das Coronavirus zu immunisieren.
Das führten jetzt Covax-Experten während einer Sitzung des Ausschusses für Entwicklung (DEVE) des Europäischen Parlaments aus. Dessen Vorsitzender, der Europaabgeordnete Tomas Tobé, beklagte zunächst eine „erschreckend geringe“ Impfquote in Afrika. Diese werfe Schatten auf die Bemühungen der Staatengemeinschaft – und den anstehenden EU-Afrika-Gipfel im Februar. Der schwedische Konservative forderte angesichts des dringenden Bedarfs, „die Fortschritte zu beschleunigen“, einen gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen und die Herstellung in weniger entwickelten Ländern zu fördern.
Doch auch wenn die griechische Europaparlamentarierin Chrysoula Zacharopoulou die „historische Führungsrolle“ der EU beim Kampf gegen die Pandemie pries, gestand die Co-Vorsitzende des Covax-Gremiums, das die 27 Mitgliedstaaten vertritt, ein, dass das Programm nicht so funktioniert habe, wie „es hätte funktionieren müssen“. Besonders frustriert zeigten sich die Anwesenden unter anderem über eine Zahl: Allein letzten Monat lehnten ärmere Länder mehr als 100 Millionen Dosen ab, die vom globalen Programm Covax verteilt wurden. Der Grund dafür lag meistens in der kurzen Haltbarkeitsdauer, wie Etleva Kadilli, Chefin der Unicef-Versorgungsabteilung, erklärte.
Zu wenig medizinisches Personal
Von den 15 Millionen abgelehnter Dosen, die aus der EU stammten, hätten beispielsweise drei Viertel der Astra-Zeneca-Mittel eine Haltbarkeit von weniger als zehn Wochen nach geplanter Auslieferung gehabt. Es mangelt laut Kadilli zudem an Kapazitäten in den Aufnahme-Ländern, weshalb sie gezwungen wären, Lieferungen zu verschieben. So fehlten in manchen Staaten schlichtweg Kühlschränke für die Aufbewahrung. Auch zu wenig medizinisches Personal, eine nicht ausgebaute Infrastruktur oder Verzögerungen bei der regulatorischen Zulassung gehören zu den Problemen auf dem Kontinent.
Die Initiative Covax setzt sich für einen gerechten Zugang zu Vakzinen weltweit ein. Doch die aktuellen Zahlen zeigen die Schwierigkeiten, die Welt zu impfen. Zwar sei man kurz davor, eine Milliarde Dosen in fast 150 Länder zu versenden, was „eine Riesenleistung“ sei, wie Marie-Ange Saraka-Yao von der Impfallianz Gavi, die viele Lieferverträge aushandelt, lobte. Es habe aber auch viel länger als erwartet gedauert, was unter anderem am Export-Stopp vonseiten Indiens im vergangenen April lag. Saraka-Yao lobte dennoch das Programm und erinnerte daran, dass es entwickelt wurde, „um eine Rettungslinie zu schaffen für 92 geringer entwickelte Volkswirtschaften, damit sie Zugang zu Impfstoff bekommen“.
Große Unterschiede zwischen reichen und ärmeren Ländern
Der Unterschied zwischen reichen und ärmeren Ländern ist bis heute gravierend. So waren im Januar laut UN-Weltgesundheitsbehörde WHO in reichen Staaten 67 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Gleichzeitig haben in weniger wohlhabenden Staaten demnach erst acht Prozent ihre erste Immunisierung erhalten. Die EU hatte schon vor Wochen zugesichert, 700 Millionen Dosen bis Mitte 2022 zu spenden, um ihr Ziel, 70 Prozent der Weltbevölkerung zu impfen, zu erreichen.
Bilder wie jene im Dezember aus Nigeria soll es künftig jedenfalls nicht mehr geben. So beschlossen die Gesundheitsbehörden in dem westafrikanischen Land, keine bald ablaufenden Impfstoff-Spenden mehr anzunehmen.
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