Menschenrechte Italien geht «unwürdig» mit Bootsflüchtlingen um

Straßburg. Die italienische Abschiebepraxis afrikanischer Bootsflüchtlinge nach Libyen ist nach Einschätzung des Europarates «unwürdig» und verstößt gegen sämtliche humanitäre Grundsätze. Das ist die Quintessenz eines Berichts des Antifolterkomitees des Europarates.
28.04.2010, 10:42 Uhr
Lesedauer: 2 Min
Zur Merkliste

Straßburg. Die italienische Abschiebepraxis afrikanischer Bootsflüchtlinge nach Libyen ist nach Einschätzung des Europarates «unwürdig» und verstößt gegen sämtliche humanitäre Grundsätze. Das ist die Quintessenz eines Berichts des Antifolterkomitees des Europarates.

«Halbverhungerte Bootsflüchtlinge in dieses Land zu schicken, wo ihnen Folter und schwere Misshandlungen drohen, ist eine Missachtung aller internationalen Regeln», sagte der Delegationsleiter des Antifolterkomitees Jean-Pierre Restellini der Nachrichtenagentur dpa.

Italien sollte seine Politik, Bootsflüchtlinge durch die Küstenwache auf dem Meer abzufangen und abzuschieben, grundlegend überdenken, heißt es in dem Bericht. «Die italienische Regierung argumentiert, die Bootsflüchtlinge würden kein Asyl beantragen», sagt Restellini. «Wie sollen Menschen einen Asylantrag stellen, die völlig entkräftet von einem Schlauchboot getragen werden müssen, weil sie ohne Wasser und Nahrungsmittel die Fahrt über das Mittelmeer nur knapp überlebt haben?»

In den libyschen Abschiebezentren herrschten «entsetzliche Zustände». Zwar konnten die Europaratsexperten die Einrichtungen nicht persönlich inspizieren, Libyen gehört nicht zum Europarat. Doch wurde ein Bericht von Human Rights Watch «Pushed Back, pushed around» vom September 2009 zitiert. Die Flüchtlinge würden dort in Lastwagen eingeschlossen und durch die Wüste zu Abschiebezentren transportiert. «Die Fahrt bei sengender Hitze, ohne Wasser und Nahrung überleben viele der Flüchtlinge nicht», heißt es bei Human Rights Watch - ganz zu schweigen von schweren Misshandlungen und Vergewaltigungen durch die libysche Polizei.

Zwar hat der Europarat Verständnis dafür, dass Länder wie Italien die illegale Einwanderung kontrollieren müssen. «Ich finde es jedoch sehr traurig, dass Italien, das jahrzehntelang wegen der miserablen wirtschaftlichen Lage ein klassisches Auswanderungsland war, sich jetzt so schockierend verhält», sagt Restellini.

Vor dem Gerichtshof für Menschenrechte ist erstmals eine diesbezügliche Grundrechtsklage gegen Italien anhängig. Eingereicht wurde sie im Mai 2009 von 24 Somaliern und Eritreern wegen der Abschiebung nach Libyen. Sie beschwerten sich, dass ihnen in Libyen Folter und menschenunwürdige Behandlung droht.

Der Gerichtshof kann Libyen nicht verurteilen, er kann den Klägern aber Schmerzensgeld zusprechen und Italien dazu verurteilen, seine internationalen Verpflichtungen, was humanitäre Grundsätze angeht, zu respektieren. (dpa)

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Einwilligung und Werberichtlinie

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten dazu genutzt werden, regelmäßig per E-Mail redaktionelle Inhalte des WESER-KURIER seitens der Chefredaktion zu erhalten. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Ich kann diese Einwilligung jederzeit formlos mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, z.B. per E-Mail an widerruf@weser-kurier.de.
Weitere Informationen nach Art. 13 finden Sie unter https://www.weser-kurier.de/datenschutz

Schließen

Das Beste mit WK+