Am vorigen Wochenende veröffentlichte das Robert-Koch-Institut (RKI) zwei Zahlen, die eigentlich eine öffentliche Diskussion auslösen sollten. Demnach war die Reproduktionszahl schon Tage vor dem großen Lockdown am 23. März auf den erstrebten Wert von 1 gesunken – vermutlich auch wegen der Entscheidung vom 9. März, alle Großveranstaltungen sofort abzusagen. Welchen Sinn machte also die folgende Vollbremsung unserer Volkswirtschaft? Und warum wurde die Kurve erst so spät veröffentlicht? Das RKI gibt zudem den Altersmedian – also den Wert genau in der Mitte aller individuellen Daten – der an Covid-19 Verstorbenen mit 82 Jahren an. War angesichts dessen das Virus wirklich immer ausschlaggebend für den tödlichen Ausgang der Infektion? Und welchen Sinn macht vor diesem Hintergrund die Schließung von Kitas, Schulen, Universitäten?
Wer solche naheliegenden Fragen stellt, wird gerne mal in die Ecke von rechten Verschwörungstheoretikern oder Donald-Trump-Fans gedrängt. Das muss man aber aushalten. Wenn Virologen inzwischen geradezu Offenbarungskompetenzen zugestanden werden und Regierungsanordnungen quasi zu politischen Katechismen mutieren, ist etwas Ketzerei notwendig.
Politik kommt mit vielen Phrasen
Warum also muss man in Deutschland eine „Welle flach halten“, wenn die Hälfte der verfügbaren Intensiv-Betten gar nicht belegt ist? Dient es wirklich der allgemeinen Gesundheit, wenn reihenweise Operationen abgesagt werden und Krankenhäuser deshalb von Insolvenz bedroht sind? Aus der politischen Klasse kommen hier kaum nachvollziehbare Antworten, dafür viele Phrasen, die wahlweise an Solidarität, Disziplin, Rücksichtnahme oder Ausdauer der Bürger appellieren.
Die Pandemie sei eine „demokratische Zumutung“, sagte Kanzlerin Merkel am Donnerstag. Falsch. Widerspruch und Kritik sind „demokratische Zumutungen“. Die Maßnahmen aufgrund der Pandemie sind hingegen eine Zumutung für Demokraten. Nie in der Geschichte dieser Republik sind so viele Grundrechte gleichzeitig eingeschränkt worden, zum Teil ganz erheblich: Versammlungsrecht, Freizügigkeit, Berufsausübung, Eigentumsrecht, Religionsausübung. Das alles ist schon bedenklich nah an einer Notstandsverfassung.
Da sollten dann zumindest die Begründungen sitzen und die Entscheidungswege transparent sein. Zum nun flächendeckenden Maskenzwang gibt es aber wieder nur den bekannte Mix aus dünn und dürftig: Die Mediziner sind uneins, ob es überhaupt etwas bringt, und die Politiker – zumal in Bremen und Niedersachsen – ziehen gegen ihre Überzeugung bloß aus Gruppenzwang mit. Dem Wahlvolk bleibt immerhin eine Erkenntnis: Es weiß jetzt, was einer „dringenden Empfehlung“ folgt – und wie schnell das gehen kann, wenn man einfach mal auf Parlamentarismus verzichtet.