Da hat der Gesundheitsminister recht: „Je nachvollziehbarer die Regelungen sind, desto eher werden sie akzeptiert und gelebt." Jens Spahn muss aber einräumen, dass in Sachen Kitas und Schulen die Akzeptanz der Bürger für die Einschränkungen ziemlich strapaziert wird. Und auch beim 800-Quadratmeter-Ladenöffnungs-Unsinn oder bei Rückkehrern aus dem Ausland. Auch wer aus einem Land mit nur sehr wenigen Corona-Infizierten kommt, muss 14 Tage in Quarantäne. Und fragt sich, warum Polizisten im Hafen von Travemünde die Hygienevorschriften missachten, wenn sie sich zur Ausweiskontrolle ohne Maske und Handschuhe ins geöffnete Seitenfenster eines Autos lehnen und mahnen, man solle auf direktem Weg nach Hause fahren und sich „unverzüglich“ beim Gesundheitsamt melden.
Dem aber fällt man damit zur Last. Der angekündigte Rückruf („noch heute“) eines Arztes ist auch nach zehn Tagen nicht erfolgt, Kontrollen auch nicht. Das ist freilich nicht zu kritisieren, denn die Gesundheitsämter, die den Schutzwall bilden sollen, damit die Infektionswelle die Kliniken nicht überrollt, sind personell „ausgeblutet“, so Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. Sie sollen aber Erkrankte schnell identifizieren und isolieren, Kontaktpersonen aufspüren und unter häusliche Quarantäne stellen. Rückkehrer sollte man also besser gleich bei der Einreise testen, schließlich wird die Hälfte der Laborkapazitäten gar nicht genutzt.
Für die Rückkehrer trifft es sich gut, dass die Hilfsbereitschaft von Nachbarn und Freunden so gewaltig ist. Versorgung mit Lebensmitteln und Lektüre – kein Problem. Ein Chirurg bietet sich als Getränkelieferant an. Er wurde in Zwangsurlaub geschickt, weil es zu wenige Patienten gab. Ein junger Nachbar hat schon mal den Rasen gemäht. Der Intensivpfleger hatte ein paar Tage frei – auch wegen Patientenmangel.
Ärzte befürchten für ihre Patienten gesundheitliche Schäden
Die von der Politik klaglos befolgten Empfehlungen der uns beherrschenden Virologen-Klasse geraten so zuweilen zur bürokratischen Realsatire. Der „verengte Blick“ der Virologen habe dazu geführt, dass etwa Kliniken in Westfalen nicht einmal zu 50 Prozent ausgelastet sind, klagen niedergelassene Ärzte. Die befürchten für ihre Patienten gesundheitliche Schäden, weil notwendige Behandlungen unterblieben. Nun will Spahn wieder mehr Nicht-Corona-Patienten behandelt wissen.
Wohl aber leiden die Mitarbeiter der von der Politik seit Jahren vernachlässigten und deshalb völlig unterbesetzten Gesundheitsämter. Ein Arzt, der sich aus dem Ruhestand freiwillig zum Dienst in seiner rheinischen Heimatstadt meldete, gab angesichts der Arbeitsbedingungen bereits nach nur einem Tag wieder auf. Die Amtsärzte konnten in den sehr beengten Räumen nicht mal annähernd den gebotenen Mindestabstand einhalten.