In Iowa wollten die Demokraten den Startschuss für den Anfang des Endes der Ära Trump geben. Stattdessen gerieten die ersten Vorwahlen zu einem peinlichen Fehlstart. Ginge es bloß um die 41 Delegierten, die in dem wenig repräsentativen Agrarstaat im Mittleren Westen vergeben werden, könnte man das Chaos der Wahlnacht getrost vergessen. Doch die Bedeutung der „Caucuses“ genannten Parteiversammlungen geht weit darüber hinaus. Sie ist symbolisch und faktisch zugleich. Hier werden mit dem aufwendigen Wahlverfahren traditionell wichtige Weichen gestellt. Bei den Demokraten haben sich die Wähler in Iowa nur zweimal nicht für den späteren Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei entschieden. Seit dem Jahr 1996 hatten sie immer den richtigen Riecher gehabt.
Genau deshalb nisten sich die Kandidaten über Monate in dem Bundesstaat ein, schütteln jede Hand, die sie greifen können und werden sogar zu Experten für Schweinezucht und Sojabohnen. Für wie wichtig die Kandidaten Iowa halten, lässt sich an der Zahl von mehr als 2500 Wahlveranstaltungen im zurückliegenden Jahr ablesen.
Allein der Milliardär Michael Bloomberg wagte es dank seines sagenhaften Reichtums, die populistischen Lockerungsübungen in Iowa mit seinen nur drei Millionen und zu über 90 Prozent weißen Einwohnern auszulassen. Er profitiert von dem Desaster, weil er nicht auf die Spendengelder und kostenlose Medienaufmerksamkeit angewiesen ist, die Außenseitern ohne tiefe Taschen eine Chance geben. Wie seinerzeit dem Erdnussfarmer Jimmy Carter aus Georgia, der mit seinem Sieg bei den Caucuses 1976 praktisch aus dem Nichts in die nationalen Schlagzeilen geriet. Und Iowa war es auch, dass 2008 Barack Obama ganz nach vorn katapultierte.
Kein klarer Favorit
Die systematischen Pannen beim Erfassen der Ergebnisse aus den 1700 Wahlversammlungen berauben den Sieger von Iowa um diese Chance. Zumal es in diesem Jahr vor den „Caucuses“ keinen klaren Favoriten gab, sondern ein Führungsquartett. Darin rangen jeweils zwei Kandidaten um die Vorherrschaft in den traditionellen Lagern von Moderaten und Linken.
Am härtesten trifft dies Pete Buttigieg, der in seiner politischen Heimat des Mittleren Westens alles auf eine Karte gesetzt hat. Alle Indikatoren deuten darauf hin, dass der 38-jährige Bürgermeister aus Indiana besser abschnitt als Vizepräsident Joe Biden, mit dem er um die Führung im moderaten Lager konkurriert. Auch Bernie Sanders schadet es, nicht zu wissen, ob er den Wahlsieg davon getragen hat. Er führte in den Umfragen und muss angesichts des Gegenwinds aus dem Establishment der Partei beweisen, dass er in einem eher ländlichen und konservativen Staat gewinnen kann. Dagegen reichte es für Elizabeth Warren unter den ersten dreien liegen. Die progressive Senatorin könnte sich als Kompromiss-Kandidatin positionieren, die sowohl für die Linke als auch die Moderaten akzeptabel wäre.
Der einzige, dem das Chaos der Wahlnacht zupass kommt, dürfte Joe Biden sein. In vielen „Caucuses“ qualifizierte sich “Onkel Joe” nicht einmal für die zweite Runde. Es ist mehr als offenkundig, dass er nicht die erste Wahl der Demokraten in Iowa war. Vermutlich eher die letzte in dem Führungsquartett.
Die peinliche Auszählpanne spielt auch Präsident Donald Trump und seinen Republikanern in die Karten. Wobei dieser Vorfall keine Ausnahme ist. Von dem Wahldesaster in Florida im Jahr 2000 über das Fehlen einheitlicher Wahlstandards und die systematische Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen bis hin zur Einflussnahme der Russen 2016 tun sich die Amerikaner schwer mit dem Wählen.
Während der Gewinner noch gesucht wird, steht der Verlierer der Chaos-Nacht steht schon fest: der Status Iowas bei der Kandidatenauswahl. Einmal mehr steht infrage, ob der wenig repräsentative Staat bei den Präsidentschaftswahlen eine so zentrale Rolle spielen soll. Es gibt gute Gründe, die ersten Vorwahlen in Staaten wie Florida, Ohio oder North Carolina zu verlegen, die mehr das heutige Amerika spiegeln.