Die CDU reißt gerade mit dem Hintern ein, was sie im vorigen Jahr mit den Händen aufgebaut hat. Die Kür der Parteichefin aus einer Riege von drei Bewerbern auf diversen Regionalkonferenzen und einem abschließenden Parteitag war ein Glanzstück innerparteilicher Demokratie mit erheblichem Mobilisierungseffekt. Mit diesem Pfund hätte man wuchern können. Doch die Anhänger des knapp unterlegenen Kandidaten Friedrich Merz erweisen sich als schlechte Verlierer: Allen voran die stockkonservative „Werte-Union“ will nun auch den Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl in gut zwei Jahren (!) per Urwahl küren – und so die offenbar ungeliebte Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“) doch noch in die zweite Reihe drücken.
Das Wichtigste zu diesem Schauspiel haben zwei Schwergewichte der Partei bereits am Dienstag gesagt. Ausgerechnet Friedrich Merz nannte die Diskussion „völlig irre“, und Hessens Regierungschef Volker Bouffier stellte klar, dass die Parteivorsitzende „selbstverständlich“ das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur habe. Die liberale „Union der Mitte“ wies schließlich kühl darauf hin, dass die CDU-Statuten eine Urwahl gar nicht vorsehen. Alles richtig, doch die Debatte um die Befähigung der Parteichefin, auch dieses Land einmal zu führen, ist damit nicht beendet.
Sicher, AKK und ihre Berater haben Fehler gemacht. Die unbeholfene Reaktion auf das „Rezo“-Video und die schädliche, undurchdachte Debatte über „Meinungsmache“ im Netz. Die bräsig-unwillige Reaktion auf die europapolitischen Vorschläge des französischen Präsidenten. Der ebenso verstolperte Versuch, ein transatlantisches Bekenntnis abzulegen, indem sie Trump gegen Vergleiche mit Putin und Erdogan verteidigt – nachdem Sachsens junger, rechter CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer gerade Gerhard-Schröder-mäßig mit Putin gekuschelt hat. Hier wiederum hätte man sich eine schärfere Klarstellung der Bundesvorsitzenden gewünscht.
Merkel war aus CDU-Sicht lange die ideale Kanzlerin der GroKo
Aber es gibt eben auch eine Haben-Seite. Das ist zuallererst die Emanzipation AKKs von ihrer Förderin Angela Merkel. Merkel war aus CDU-Sicht lange die ideale Kanzlerin einer Großen Koalition. Sie hielt die SPD bei der Stange, aber auch klein. Doch die Groko ist ein Auslaufmodell. Merkels Nachfolgerin muss also zunächst Parteivolk und Anhänger hinter sich vereinen – rechts von der Mitte, denn der Gegner steht künftig wieder eindeutig links, siehe Bremen.
Die Grünen könnten sich auch bundesweit als Wassermelonenpartei – außen grün mit gelben Streifen, innen tief rot – erweisen. Daher muss die Union vor allem AfD-Wähler zurückholen. Das aber klappt nur, wenn sie die Abkürzung AKK künftig vorbehaltlos so deutet: Annegret kann Kanzlerin. Was mit Parteien passiert, die ihre Vorsitzenden verschleißen, kann man hingegen schon länger an der SPD studieren.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!