Als Erklärungen für die Attraktivität des Rechtspopulismus werden oft Parteienverdrossenheit, politische Apathie, Repräsentationsdefizite angeführt. In der jüngst von der CSU inszenierten Regierungskrise kommen diese strukturellen Demokratiedefizite ebenso zum Vorschein wie auch die Mitproduktion der politischen Mitte am Rechtspopulismus. Ihr Credo, keine demokratische Partei rechts von ihr zu tolerieren, setzt die CSU mit der Übernahme rechtspopulistischer Positionen um: „Bayern first“!
Dabei bestätigen solche inszenierten Parteienkonflikte genau die populistische Kritik an den etablierten Parteien: Abgehoben- und Selbstbezogenheit der politischen Eliten, parteipolitische Instrumentalisierung des Staates, Versagen, wichtige Probleme zu lösen. Kann man diese Kritik ernsthaft abweisen, wenn man sich dieses als „Endspiel um die Glaubwürdigkeit“ hochgeputschte Schauspiel vor Augen führt?
Da wird ein im Bundesinnenministerium erstellter, damit von Steuergeldern finanzierter „Masterplan“ als ein CSU-Papier zunächst nur im CSU-Führungskreis diskutiert; parteipolitische Interessen werden über die Regierungsverantwortung gestellt; ein aus der Versenkung geholter, rechtsstaatlich bedenklicher Vorschlag („Transitzentren“) wird als hart errungener Kompromiss zu einer substanziellen „Lösung“ des Flüchtlingsproblems mit staatstragender Mine verkauft. Und „by the way“ werden die letzten rechtsstaatlichen Verfahrensregeln des Asylrechts zerschossen.
Und die SPD? Mit ihrem Hin und Her zur Regierungsbeteiligung, ihrem parteiinternen personellen Possenspiel hat sie nachhaltig an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Ihr mangelt es an Selbstbewusstsein, Standing und politischem Gespür, brodelnde Konflikte in der Gesellschaft aufzugreifen und der Erosion der politischen Mitte etwas entgegenzusetzen.
Die AfD schaut dabei genüsslich zu, wie sich die politische Mitte zerlegt, konzeptionslos reagiert und ihre Inhalte kopiert. Und am nächsten Wahlabend wird die moralische Empörung wieder groß sein, warum denn so viele Wähler die AfD gewählt haben.
Von den von Angst getriebenen und selbstbezogenen „Volksparteien“ ist nicht viel Selbstkritik zu erwarten. Sie haben (noch?) keine greifende politische Strategie. Vielmehr verspielen sie in destruktiver Weise die wichtigste Ressource, die ihnen der Souverän gewährt: Vertrauen.
Nur wie lange noch?
Unser Gastautor Heinz Lynen von Berg ist Politikwissenschaftler und Professor für Sozialwissenschaften in der Sozialen Arbeit an der Hochschule Bremen.