Die asketisch-strenge deutsche Aktivistin und Kapitänin Carola Rackete und der italienische Lega-Politiker, Macho und jetzt entmachtete Innenminister Matteo Salvini im Kampf um die humanitäre Aufnahme von afrikanischen Migranten – „gute Retterin“ gegen „unsympathischen Machtpolitiker“, das ließ sich leicht in Worte fassen und vor allem: bebildern.
Diese Aufmerksamkeit der Medien lässt allerdings die politischen Fehlleistungen und Verantwortlichkeiten in den Hintergrund treten. Das gilt auch für Absichtserklärung von Bundeskanzlerin Merkel, eine neue Rettungsmission der EU zu befürworten. Das Problem ungeregelter Migration zwischen Afrika und der EU lässt sich weder durch staatliche noch private Rettungsmissionen lösen – solange nicht klar ist, welche Staaten die Migranten aufnehmen und ob es gelingt, Schutzberechtigte von anderen zu unterscheiden und letztere wieder zurückzuführen.
Unübersehbar ist: Gravierende politische Differenzen lähmen die Europäische Union in der Migrationspolitik. Zentrale Vorhaben sind gescheitert: Eine stärkere Lastenteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen durch eine allgemeine Quote für jeden Mitgliedsstaat wurde von der deutschen Bundesregierung lange verfochten. Sie ist inzwischen ebenso vom Tisch wie die von den Staats- und Regierungschefs im Juni 2018 vorgeschlagenen Aufnahmezentren („Ausschiffungsplattformen“) in afrikanischen Staaten. Kein Staat außerhalb der EU soll sich dazu bereitgefunden haben. Nicht einmal die „Kontrollierten Zentren“ in Mitgliedsstaaten mit Außengrenzen – ebenfalls ein Vorschlag des Europäischen Rats vom Juni 2018 – in denen zügig geklärt werden sollte, wer schutzbedürftig sei und wer nicht, haben bisher das Licht der Welt erblickt.
Auch hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache gibt es unterschiedliche politische Positionen unter den Mitgliedsstaaten. Die Reform des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ – vor allem des Dublin-Verfahrens – steckt in der Blockadefalle. Der Ausbau der Grenz- und Küstenschutzagentur Frontex wurde auf das Jahr 2027 vertagt und soll damit sieben Jahre später erfolgen als geplant.
Vorschläge und Konzepte, wie Migration wirkungsvoller reguliert werden könnte, haben die Europäische Kommission, die Staats- und Regierungschefs und Wissenschaftler vorgelegt. Allein: Es bewegt sich zu wenig. So schlittert die Union in die nächste Flüchtlingskrise hinein. Das nächste Mal wird es voraussichtlich nicht so glimpflich abgehen.
Unser Gastautor ist Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bremen und forscht zu den Themen Migration und Integration.
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