Er wirkt freundlich und gelassen, trinkt in der Cafeteria des Messebaus im Stehen eine Holunder-Bionade. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer plaudert auf dem Grünen-Parteitag in Halle ganz locker mit Delegierten und Journalisten. Nichts deutet darauf hin, dass für ihn persönlich eine wichtige Wahl ansteht: Der 40-Jährige kandidiert erstmals für den Parteirat, hinter dem Vorstand der einflussreichste Führungszirkel der Grünen. Meyers Ergebnis bei der Wahl überrascht nicht nur den Newcomer: Er bekommt im stark besetzten Feld der männlichen Kandidaten hinter Fraktionschef Anton Hofmeister die zweitmeisten Stimmen und lässt selbst den neuen grünen Hoffnungsträger Robert Habeck hinter sich.
Das hervorragende Abschneiden ist auch Meyers Bewerbungsrede geschuldet. Er macht sich wortgewaltig für den Tierschutz stark, kritisiert das ungerechte System des internationalen Agrarmarkts, wettert gegen die Alternative für Deutschland, die er als „verlogene und widerwärtige Partei“ abkanzelt. Und Meyer hat auch noch Zeit für einen – wenn auch leicht holprig geratenen – Reim: „Kräht der Hahn hoch oben auf dem Mist, weiß er, dass die Wahl für die Grünen gewonnen ist.“
Der in den Reihen der Landwirtschaft nicht unumstrittene Minister ist künftig die Stimme von Niedersachsens Grünen im Parteirat. Er übernimmt damit die Rolle von Rebecca Harms. Die Ikone des Widerstands gegen das Atomlager Gorleben gehörte 17 Jahre lang diesem Gremium an. Sie will sich künftig auf ihr Amt als Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament konzentrieren.
Auch ein junges Nordlicht hat bei den Wahlen auf dem Parteitag in Halle ein überraschend gutes Ergebnis eingefahren: Die aus Norden (Landkreis Aurich) stammende Gesina Agena wurde mit 83 Prozent der Stimmen wieder in den Bundesvorstand gewählt. Die quirlige 28-Jährige, die jetzt im Berliner Landesverband beheimatet ist, hatte ebenfalls einen starken Bewerbungsauftritt. Die zum linken Flügel gehörende Frauenpolitische Sprecherin forderte ihre Partei auf, „Stimmungen zu prägen, statt ihnen hinterher zu laufen“. Sie bekommt für ihre Rede viel Beifall, vor allem für einen Satz über die Pegida-Aufmärsche: „Es sind keine besorgten, sondern Besorgnis erregende Bürger, die in Dresden oder anderswo auf die Straße gehen.“
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