Mehr als 500 000 Schüler beteiligen sich bundesweit an der Juniorwahl 2013 zur Bundestagswahl. In Niedersachsen machen 447 weiterführende Schulen mit, darunter auch acht aus dem Landkreis Osterholz. Wie sich die Schulen auf das Projekt zur politischen Bildung vorbereitet haben, wie Lehrer und Schüler das Angebot finden und was damit bezweckt wird, dazu haben wir uns an den Schulen im Kreisgebiet umgehört.
Wir schreiben den Januar 2013, es ist kurz vor der Landtagswahl. Erstmals beteiligt sich die Kooperative Gesamtschule (KGS) Hambergen an der sogenannten Juniorwahl. Im Rahmen des Politikunterrichts sind 130 Schüler aus fünf Klassen zur Stimmabgabe aufgerufen. Im Wahlraum steht ein Schüler, den ausgefüllten Wahlzettel in der Hand. Fragend blickt er in die Runde: „So, und was mach’ ich jetzt damit?“ Dabei steht die Wahlurne direkt neben ihm.
Szenen wie diese dürften sich in dieser Woche an der KGS wohl kaum wiederholen. Wieder haben die Lehrer um Organisator Roland Saade entschieden, bei der Juniorwahl mitzumachen. Trotz der Anekdote vom Januar sei das Ganze ein Erfolg gewesen, erzählt der Lehrer. Dieses Mal seien 17 Klassen der Jahrgangsstufen acht bis zehn dabei. Das sind fast 500 juniorwahlberechtigte Schüler. Alle Beteiligten gehen die Sache gut vorbereitet an.
Wie ist das mit der Erst- und Zweitstimme, welche Partei steht für welche Ziele – das sind nur einige der Fragen, um die es zuletzt an der KGS ging. „Im achten und neunten Jahrgang steht das Thema Politische Mitbestimmung auf dem schuleigenen Lehrplan“, erzählt der Fachbereichsleiter. Das Ganze sei eingebettet in den Unterricht und soll zur politischen Sozialisation der Heranwachsenden beitragen. Saade: „Es ist ein schwieriges Geschäft; die meisten Schüler informieren sich doch recht wenig.“
Inzwischen hätten viele Schüler Feuer gefangen. Eine neunte Klasse hat Wahlvorstände gebildet und den Sozialraum gestern zum Wahllokal umfunktioniert. Schichtweise sitzen die Schüler-Teams durchgehend von 9 bis 13.30 Uhr dort, um die Wahlbenachrichtigungskarten ihrer Mitschüler entgegenzunehmen und mit den Einträgen im Wählerverzeichnis zu vergleichen. Die Listen und die Karten haben Lehrer und Schüler gemeinsam vorbereitet, denn anders als in 80 bis 90 Prozent der Juniorwahl-Schulen wird in Hambergen nicht am Computer, sondern klassisch auf dem Papier abgestimmt. Das Ganze solle möglichst realitätsnah sein, findet Saade. Und es sind freie Wahlen: Der Lehrer hat seine Kollegen darum gebeten, keinen Schüler zum Wahlraum zu schicken. Die Schüler können die Pausen nutzen oder sich kurz abmelden, wenn sie wählen gehen wollen.
Während einige Schüler mehrere Minuten für die Kreuze auf dem Stimmzettel benötigen, füllen andere den Stimmzettel sehr zielstrebig aus. „Ich habe schon länger eine Partei gefunden“, sagt beispielsweise der 14-jährige Nico Balzer aus dem neunten Jahrgang. Er habe sich dabei ein wenig nach seinem Vater gerichtet, der sehr viel über Politik rede. Auch Valentina Becher hat sehr schnell ihre Kandidaten gefunden. „Wir haben im Unterricht untersucht, was das Beste für jeden ist“, erklärt sie. Und: „Das kann hilfreich sein.“ Alle Wahlprogramme wurden mit eigenen Vorstellungen verglichen. Ob sie später wirklich wählen geht, lässt Valentina allerdings offen. „Das überlege ich mir, wenn es soweit ist.“
Der Wahlausgang bleibt dabei für Außenstehende bis Sonntagabend geheim: Erst dann wird im Internet nachzulesen sein, wie die Schulen im Land abgestimmt haben. Auch die Berufsbildenden Schulen (BBS) beteiligen sich; neben der Kampagne „Erste Wahl“, deren Plakate es bis in die Osterholz-Scharmbecker Kinowerbung geschafft haben, hat Politiklehrer Jürgen Grimm 35 BBS-Klassen bei der Juniorwahl angemeldet. Bis heute Mittag kann gewählt werden. Grimms Anliegen ist der Kampf gegen die Wahlmüdigkeit: „Im Januar hatten wir fast 700 Wähler; das wollen wir dieses Mal noch toppen.“
Mit dabei bei der Juniorwahl ist auch das Gymnasium Osterholz-Scharmbeck. Rund 200 Schüler der Jahrgänge neun und elf machen mit. Sie haben sich im Politikunterricht mit dem Thema Wahlen beschäftigt und die Juniorwahl realitätsnah vorbereitet, berichtet Lehrerin Edeltraud Abeln. Die Jugendlichen bestimmten Wahlhelfer, legten Wählerverzeichnisse an und „verschickten“ Wahlbenachrichtigungen – ganz so, wie es bei der „echten“ Bundestagswahl eben auch abläuft. Diese praxisnahe Art des Unterrichts kommt bei den Schülern gut an: Durch den Bezug zu lokalen Kandidaten und Themen seien die Schüler motivierter, sich mit dem ansonsten eher als trocken oder langweilig empfundenen Thema auseinanderzusetzen, hat Abeln beobachtet.
Zwei Schüler aus dem Leistungskurs Politik leiten zusammen mit Edeltraud Abeln das Projekt „Juniorwahl“ am Gymnasium. Sie haben auch die Wahlleitung übernommen. Die Auszählung der Stimmen hat gestern stattgefunden, am heutigen Freitag sollen die Ergebnisse in Diagrammen, Statistiken und mit Fotos aufbereitet werden. Wie die Schüler des Gymnasiums gewählt haben, wird entsprechend der Vorgaben erst am Montag in der Schule veröffentlicht.
Das gilt auch an der Riesschule in Ritterhude. Zur Teilnahme berechtigt sind dort alle Schüler des Gymnasiums, also etwa 200 der Klassen zehn bis zwölf. Die Bundestagswahl hat auch bei den Ritterhuder Schülern eine Rolle im Unterricht gespielt, berichtet Lehrerin Elke Schneppe. Grundsätzliches muss dort nicht mehr vermittelt werden, denn die Schüler sind laut der Lehrerin bereits seit der neunten Klasse mit dem Wahlsystem vertraut und beschäftigen sich jede Woche mit den aktuellen politischen Entwicklungen.
„Die Schüler haben positiv auf die Ankündigung der Juniorwahl reagiert. Zum einen, weil die Vorankündigungen bereits seit Monaten öffentlich in der Schule aushängen, zum anderen, weil die Juniorwahl ein fester Bestandteil des Politikunterrichts ist“, sagt Schneppe. Seit 2007 nehme die Riesschule zur Landtags-, Bundestags- und Europawahl an der Juniorwahl teil. Sie sei etabliert und bei den Schülern bekannt. In der Mehrheit seien die Schüler neugierig auf den Wahlvorgang. Die Möglichkeit politischer Mitbestimmung fasziniere die Jugendlichen in der Regel.
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Juniorwahl
n Die Juniorwahl soll Schüler ab der Jahrgangsstufe sieben an die Prozesse der demokratischen Willensbildung heranführen. Dazu gehört unter anderem, dass der Wahlvorgang simuliert wird. Ziel der Juniorwahl ist das Üben und Erleben von Demokratie. Seit 1999 läuft das Projekt bundesweit zu allen Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen. Seither haben sich mehr als eine Million Jugendliche beteiligt. Die Organisatoren verweisen darauf, dass das Projekt nachweislich zur Steigerung der Wahlbeteiligung unter Erstwählern führt. Zur Bundestagswahl 2013 beteiligen sich bundesweit 500 000 Schüler an der Juniorwahl – eine Rekordbeteiligung. 2270 Schulen, davon 447 in Niedersachsen, machen mit. Näheres: www.juniorwahl.de