Khaldoun Bakkour ist mit hochgesteckten Zielen nach Deutschland gekommen. Seit drei Monaten lebt er in Bremen, zuvor hat er sich über die sogenannte Balkanroute nach Deutschland durchgeschlagen. Eines Tages will Bakkour Pilot werden. Um dieses Ziel zu erreichen, bereitet sich Bakkour im Orientierungszentrum des Bremer Jobcenters und der Mikro Partner GmbH auf den Arbeitsmarkt vor. Das Projekt gibt es seit dem vergangenen Sommer und soll nun massiv aufgestockt werden.
Vor etwa einem Jahr ist Khaldoun Bakkour, der bis dahin mit seiner Mutter und seinen vier Geschwistern in der syrischen Hauptstadt Damaskus gelebt und englische Literatur studiert hatte, allein in die Türkei aufgebrochen. Dort verbrachte er insgesamt sieben Monate. „In der Türkei war die Situation für mich aber sehr schlecht“, erzählt Bakkour. Er konnte nicht arbeiten, sich kein neues Leben aufbauen. Also entschied er sich für die riskante Überfahrt nach Griechenland. „Ich hatte Glück“, sagt er. Alles ging gut, von Thessaloniki marschierte er zu Fuß weiter nach Mazedonien und von dort nach Serbien, schließlich per Taxi nach Budapest.
Als die Bundesregierung im Sommer entschied, dass die Flüchtlinge, die unter inakzeptablen Bedingungen am Bahnhof in Budapest lagerten, nach Deutschland einreisen dürfen, war das auch für Bakkour das Startsignal: Er fand jemanden, der ihn nach Deutschland fuhr. Das kostete ihn noch einmal 500 Euro. Bakkours Antwort auf die Frage, ob er sich auch für die gefährliche Flucht nach Deutschland entschieden hätte, wenn er gewusst hätte, worauf er sich einlässt, ist kurz: „Ja.“
Nun, Monate später, ist Bakkour einer von 40 Teilnehmern eines Pilotprojekts des Jobcenters und der Mikro Partner Service GmbH. Am Montag haben die Einrichtungen von ihren ersten Erfahrungen berichtet. „Ende Juli haben wir gemeinsam das Orientierungszentrum für Flüchtlinge eingerichtet“, sagte Helmut Westkamp, Geschäftsführer des Bremer Jobcenters. Für Westkamp steht fest, dass seine Behörde ein Hauptakteur bei der Integration der Bremer Flüchtlinge sein wird: „Die große Frage ist, wie es gelingen kann, diejenigen, die hierbleiben, langfristig in Arbeit zu bringen“, sagte er.
„Die Menschen besuchen bei uns Sprachkurse und werden intensiv begleitet“, sagte Christian Peter, der Leiter des Bremer Orientierungszentrums. Neben dem Sprachunterricht würde es zunächst vor allem um Alltägliches gehen: „Wir fahren gemeinsam Straßenbahn, schauen uns Bremen an und gehen auch zusammen ins Schwimmbad“, berichtete Peter. Auch das Weserstadion und das Bremer Mercedes-Werk habe die Gruppe schon besucht. Hierbei sei es nicht das primäre Ziel, die Geflüchteten in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. „Wir wollen vielmehr eine Anlaufstelle in Sachen Integration sein“, sagte Peter. Deshalb sollen im Laufe dieses Jahres die Kapazitäten deutlich erweitert werden: „Wir haben mit 40 Plätzen angefangen und wollen auf über 400 erhöhen“, sagte Westkamp. Er gehe davon aus, dass das Jobcenter in den nächsten Monaten eine vierstellige Anzahl von Flüchtlingen zugewiesen bekomme. Das verdeutliche den großen Bedarf an dieser Stelle. Westkamp zog noch eine weitere Zahl heran, um zu veranschaulichen, wie sehr das Projekt gebraucht wird: „34 Prozent der Arbeitslosen in Bremen sind ausländische Staatsbürger.“ Auch dieser Anteil werde in den kommenden Monaten steigen, prognostizierte Westkamp. Madjid Chabane, Regionalleiter von Mikro Partner, sagte, dass es nicht reiche, standardisierte Sprachkurse anzubieten: „Wir bieten deshalb ein umfassendes Coaching an.“ So sei das Projekt für die Teilnehmer eine Vollzeitaufgabe. Bisher arbeiten sechs Sozialpädagogen, Psychologen und Deutschlehrer im Orientierungszentrum.
Hamza Musa, ein weiterer Teilnehmer des Projekts, berichtete, dass er täglich von 8 bis 16 Uhr in die Räume des Orientierungszentrums käme, um Deutsch zu büffeln. Mit seinen Bewerbungen hatte er bereits Erfolg: „Ich habe ein Praktikum in einem Restaurant gemacht und arbeite jetzt auch als Hilfskraft bei Konzerten.“
Der 26-Jährige hat in Syrien als Landschaftsvermesser gearbeitet. Bis er das auch hier tun kann, wird noch einige Zeit vergehen, glaubt er. „Das Wichtigste ist, dass ich mein Deutsch verbessere und einen deutschen Führerschein mache“, sagt er. Denn ohne Führerschein sei es deutlich schwieriger, einen Job zu bekommen.
Insgesamt neun Personen konnte das Orientierungszentrum bisher in Arbeitsverhältnisse vermitteln. Allerdings bedeute das nicht, dass alle anderen nicht vermittelt werden konnten: „Einige sind auch in eine andere Stadt gezogen“, sagte Christian Peter.
Khaldoun Bakkour hilft mittlerweile selbst Flüchtlingen bei Behördengängen und mit Übersetzungen. Er will möglichst bald ein Studium beginnen, um seinem Ziel Pilot, näher zu kommen. Die erste Etappe hat er schon gemeistert: Deutsch spricht er mittlerweile sehr gut.