Frau Motschmann, braucht es das – ein Buch über Frauen in der Außenpolitik?
Elisabeth Motschmann: Ja, das braucht es. Frauen sind hoffnungslos unterrepräsentiert, wenn es um Krieg und Frieden in der Welt geht. Das lässt sich auch in Zahlen festhalten: Nur jede 25. Unterschrift unter einen Friedensvertrag kommt von einer Frau. Die Uno hat festgehalten: Bei allen Friedensverhandlungen zwischen 1992 und 2011 waren nur neun Prozent der Verhandler Frauen. Man kann das hautnah auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz erleben und bei den Talkrunden im Fernsehen: Frauen reden da selten mit.
Wie ist das auf der Sicherheitskonferenz?
Da laufen maximal zehn Prozent Frauen herum. Es sind viele Regierungschefs da, mit großen männlichen Entouragen. Natürlich haben wir Angela Merkel und Ursula von der Leyen, die dort Reden halten. Das ist schon toll. Aber sonst sind die Frauen vor allem als Moderatorinnen eingesetzt. Insgesamt ist es immer so, dass uns die Männer die Welt erklären. Das kann nicht richtig sein.
Woran liegt es in der Politik?
Es liegt auf der Hand, dass Frauen sich zunächst für Frauenthemen einsetzen – also etwa für Familien- und Gesundheitspolitik. Aber wir sind zu wenig in den harten politischen Feldern wie Außen-, Finanz- und Wirtschaftspolitik unterwegs. Da müssen wir selber an uns arbeiten und sagen: Da will ich hin. Man darf sich nicht immer hinten anstellen. Man muss schon deutlich machen: Hier bin ich!
Das Problem sind also die Frauen, die sich nicht trauen?
Auch. Viele Frauen fragen sich zu oft und zu lange: Bin ich qualifiziert, kann ich das? Da haben die Männer schon längst zugegriffen. Auf der anderen Seite sind die Männer, die uns zwar vielleicht gar nicht verhindern wollen, aber einfach zu wenig darüber nachdenken, dass sie auch mal Frauen berücksichtigen könnten. Es gibt mindestens so viele Terrorismusexpertinnen wie -experten. Gefragt werden immer die Männer.
Oft kommt das Argument, Frauen seien weniger bereit, Familie und Politik zu vereinbaren.
Es ist schon so, dass man sich mit Kindern zuhause nicht nach Zusatzterminen am Abend und am Wochenende sehnt. Die sind aber wichtig, um in der Politik voranzukommen.
Und Männer sehnen sich danach?
Das weiß ich nicht. Aber die gehen da einfach hin. Manche halten sich vielleicht auch für unentbehrlich. Im Zweifelsfall haben sie zuhause eine Frau, die ihnen den Rücken frei hält.
Das ist auch 50 Jahre nach 1968 so?
Das ist auch 50 Jahre nach 1968 so, ja. Der Fortschritt ist oft langsam und es gibt Rückschläge. Das sehen wir ja auch daran, dass wir in der Unionsfraktion noch 19 Prozent Frauen haben – nach 25 Prozent in der letzten Wahlperiode. Da müssen wir Frauen dann Stopp sagen. Wir können nicht akzeptieren, dass wir über die Hälfte der Wähler stellen und dann im politischen Geschehen zu wenig vertreten sind. Das gilt auch für die zweite und dritte Reihe der Regierung – bei den Staatssekretären, Regierungsbeauftragten, Abteilungsleitungen. Überall gibt es Frauen, aber nicht genug. Deswegen wollen wir ja auch über das Quorum reden und über mögliche Verbesserungen beim Wahlrecht.
Solche emanzipatorischen Reden kennt man nicht unbedingt aus der CDU. Irritiert das Ihre Parteikollegen?
Ich versuche, so zu argumentieren, dass die Männer sich abgeholt fühlen. Ich kämpfe lieber mit dem Florett als mit dem Holzhammer. Ich bin nicht die harte Feministin, aber einen feministischen Ansatz habe ich schon.
„Female Diplomacy“ heißt Ihr Buch, weibliche Diplomatie. Gibt es die denn wirklich?
Frauen können eine sehr ausgleichende Funktion einnehmen. Sie wirken oft friedensstiftend – darauf sollte man nicht verzichten.
Mehr Frauen in die Verhandlungsgruppe, dann ist der Syrienkonflikt gelöst – das klingt sehr einfach.
Der Syrienkonflikt ist kompliziert. Aber ich bin mir sicher: Eine Lösung wäre leichter zu erreichen, wenn Frauen mehr eingebunden würden. Den Iran-Atomvertrag haben auch Frauen mit ausgehandelt. Das politische Geschäft hat sich jedenfalls deutlich verändert dadurch, dass Frauen dabei sind. Zu Beginn meiner politischen Karriere wurden in Sitzungen noch relativ derbe Chauvi-Witze gemacht. Das ist vorbei. Ich habe anfangs erlebt, dass sich Männer angebrüllt haben. Das erlebe ich überhaupt nicht mehr.
Frauen brüllen nicht?
Natürlich, aber doch sehr viel seltener. Viele brüllen eher innerlich. Frauen sind diplomatischer. Wir wissen, was wir erreichen wollen und suchen den Weg, dahinzukommen. Sie bringen oft mehr ethische Fragen ein. Männer denken oft sehr merkantil.
Das Gespräch führte Daniela Vates.
Elisabeth Motschmann
ist Vizechefin der Bremer CDU und seit 2013 Bundestagsabgeordnete. Zuvor saß die 65-Jährige viele Jahre in der Bremischen Bürgerschaft. Im Bundestag ist sie Mitglied des Auswärtigen Ausschusses.
Weitere Informationen
Motschmann, Elisabeth (Hrsg.): Female Diplomacy – Frauen in der Außenpolitik (Beiträge u. a. von Ursula von der Leyen, Marieluise Beck, Michelle Müntefering). Herder Verlag 2018, 239 Seiten, 18 Euro. Erscheinungstermin: 14. Mai.
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