Afghanistan und die Folgen Aus der Krise von 2015 wenig gelernt

Das politische Desaster in Afghanistan könnte eine neue Flüchtlingsbewegung auslösen. Die USA und die EU müssen die Anrainerstaaten Pakistan und Iran umfassend unterstützen, meint Gastautor Stefan Luft.
21.08.2021, 18:02 Uhr
Lesedauer: 2 Min
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Von Stefan Luft

Der Abzug der US-Truppen und ihrer Nato-Verbündeten aus Afghanistan endet vor aller Augen im totalen Fiasko. Interventionen der militärisch und moralisch hochgerüsteten Staaten der „westlichen Wertegemeinschaft“ unter Führung der USA haben in den zurückliegenden Jahrzehnten unendliches Leid über die Bevölkerungen im Irak, in Libyen oder in Syrien gebracht, die Regionen auf Dauer destabilisiert und erhebliche Folgen für beteiligte wie unbeteiligte Akteure gehabt.

Dazu gehören in erster Linie die Flüchtlingsströme, die zunächst die Nachbarstaaten erreicht und sich dann in wesentlich kleinerem Umfang in Staaten der Europäischen Union fortgesetzt haben. Mit den politischen Verwerfungen, die daraus folgten, werden die Aufnahmestaaten und die EU noch lange hadern. Noch sind die Grenzen Afghanistans geschlossen, keiner der infrage kommenden Transitstaaten (weder der Iran, noch die Türkei oder Griechenland) lässt bisher erkennen, einen Massenzustrom in Richtung EU ermöglichen zu wollen. Aber das kann sich jederzeit ändern.

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Die Anrainerstaaten Iran und Pakistan müssten jetzt von den USA und der EU beim Aufbau von Infrastruktur für die Aufnahme von Flüchtlingen umfassend unterstützt werden. Die Regierungen der Zielstaaten auf anderen Kontinenten – allen voran die deutsche Bundesregierung – erweisen sich jedoch auch diesmal als konzeptionslos. Sie sind nicht einmal in der Lage, die eigenen Leute und deren afghanische Mitarbeiter rechtzeitig außer Landes zu bringen.

Wer jetzt der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedsstaaten das Wort redet, hat aus der Krise von 2015 wenig gelernt. Der EU ist es bis heute nicht gelungen, sich auf eine veränderte Lasten- und Verantwortungsteilung in der Migrationspolitik zu einigen. Migrationspolitik ist und bleibt aber der gefährlichste innere Konflikt für die EU. Alleingänge – und seien es nur politische Signale – verhindern europäische Lösungen und schaden damit der Flüchtlingspolitik.

Sie verstellen auch den Blick auf die außenpolitischen Herausforderungen. Im 20. Jahr des von der damaligen US-Regierung infolge der Anschläge vom 11. September 2001 ausgerufenen „weltweiten Kriegs gegen den Terror“ muss die EU den USA endlich deutlicher machen, dass Gefolgschaft auch Grenzen hat. Alleine acht US-Einsätze seit 2001 waren für mindestens 37 Millionen Vertriebene verantwortlich, zeigt eine Studie aus den USA. Das kann der Rest der Welt nicht länger hinnehmen.

Zur Person

Unser Gastautor

ist Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bremen und forscht zu den Themen Migration und Integration.

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