Bremen/Berlin. Am frühen Donnerstagmorgen hat die Polizei in Bremen, Münster, Dortmund und Berlin Moscheen und Kulturvereine durchsucht, in denen sich regelmäßig Anhänger der libanesischen „Partei Gottes“, der Hisbollah, treffen sollen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte ein Betätigungsverbot der Terrororganisation Hisbollah in Deutschland am Donnerstagmorgen verhängt. Hauptgrund sei die Hetze der Vereinigung fundamentalistischer Schiiten gegen Israel. Den Angaben des Bremer Innenressorts zufolge wurde auch die Al-Mustafa-Gemeinschaft durchsucht. Die Anti-Terror-Razzia startete um 6 Uhr morgens, teilte Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin der Bremer Innenbehörde, dem WESER-KURIER mit. Die Bremer Polizei wurde bei ihrem Einsatz von niedersächsischen Kräften unterstützt.
Durchsucht wurden laut Gerdts-Schiffler die Vereinsräumlichkeiten in Woltmershausen und die Privatwohnungen der Vorsitzenden der Al-Mustafa-Gemeinschaft im niedersächsischen Umland. Die Al-Mustafa-Gemeinschaft in Bremen stehe im dringenden Verdacht, Bestandteil der Hisbollah zu sein. „Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre der Verein Al-Mustafa-Gemeinschaft verboten“, betont Gerdts-Schiffler. „Das Bremer Landesamt für Verfassungsschutz begrüßt die Maßnahmen des Bundesinnenministeriums ausdrücklich und hat diese, ebenso wie die Polizei, umfänglich unterstützt“, so die Sprecherin der Bremer Innenbehörde.
Aufruf zur Zerstörung Israels
„Ich weiß nicht, warum die Razzia gemacht wird“, teilte dagegen ein Mitglied der Al-Mustafa-Gemeinschaft dem WESER-KURIER telefonisch mit. Er selbst habe von der Razzia erst durch die Medien erfahren. Zu den Vorwürfen, dass mehrere extremistische Mitglieder der Gemeinschaft der Hisbollah angehören sollen, könne er nichts sagen.
Rund 450 Polizeibeamte sollen laut eines Sprechers des Bundesministerium des Innern (BMI) bundesweit im Einsatz gewesen sein. Es wurden zahlreiche Gegenstände mit Bezug zur Hisbollah beschlagnahmt, unter anderem Datenträger, Spendendosen und Stirnbänder. Außerdem konnten mehrere IT-Medien bereits vor Ort durch die Bundespolizei zur Beweissicherung „gespiegelt werden“. Bundesweit hat es nach Angaben des BMI-Sprechers noch keine Festnahmen gegeben. Die Ermittlungen laufen.
Hermann Kuhn, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bremen (DIG), begrüßte die Entscheidung des Bundesinnenministers, Hisbollah zu verbieten. „Sie ist eine Organisation des Terrors und des aggressiven und gewalttätigen Antisemitismus“, sagte Kuhn. In Bremen sollen Hisbollah-Anhänger aus dem Umkreis der Al-Mustafa-Gemeinschaft für die alljährlichen „Al-Quds“-Demonstrationen zum Internationalen Jerusalemtag in Berlin mobilisiert haben, auf denen zur Zerstörung Israels aufgerufen und Hass gegen Juden verbreitet werde.
Die Hisbollah operiert laut Kuhn über den Nahen Osten hinaus auch mit kriminellen Strukturen wie Schmuggel und Drogenhandel. Die DIG fordere die Bundesregierung auf, auch auf europäischer Ebene für ein komplettes Verbot der Hisbollah einzutreten. Der jüngste Bremer Verfassungsschutzbericht geht von 60 Anhängern der Hisbollah in Bremen aus, die im Verein der Al-Mustafa-Gemeinschaft organisiert sein sollen. Der arabisch-schiitische Kulturverein gilt laut Verfassungsschutz als Anlaufstelle für schiitische Muslime, insbesondere aus dem Libanon.
Die Al-Mustafa-Gemeinschaft ist laut Bremer Verfassungsschutz schon seit dem Auftreten des bereits verbotenen Spendenvereins Waisenkinderprojekt Libanon in die finanzielle Unterstützung der Hisbollah verwickelt. Der Zweck dieses Vereins soll demnach in erster Linie in der finanziellen Hilfe für die Hinterbliebenen gefallener Hisbollah-Kämpfer bestanden haben.
Zudem sollen auf Veranstaltungen regelmäßig sogenannte Mullahs, islamische Rechtsgelehrte, aus dem Libanon mit Redebeiträgen und Gebeten aufgetreten sein. Die Mullahs würden sich dabei auch auf die Hisbollah beziehen. Ein weiterer Hinweis der Verbindung zur Hisbollah hat sich laut des Berichts des Verfassungsschutzes aus einem Videobeitrag ergeben, der durch den Hisbollah-eigenen TV-Sender „Al-Manar“ veröffentlicht wurde. In diesem Beitrag sei über die Aschura-Feierlichkeiten 2018 in der Al-Mustafa-Gemeinschaft berichtet worden, in dem auch Videosequenzen aus dem Verein in Bremen gezeigt wurden.
Knapp 1050 Hisbollah-Mitglieder zählt der Verfassungsschutz in Deutschland. Die jetzt bei der Razzia durchleuchteten und schon länger vom Verfassungsschutz beobachteten vier Vereine stehen laut BMI im Verdacht, Teil der Terrororganisation Hisbollah zu sein. Das Betätigungsverbot der Hisbollah gilt bereits seit dem 26. März; am Donnerstag wurde es laut Gerdts-Schiffler im elektronischen Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!