In keinem Bundesland sind die Leistungen von Viertklässlern in Deutsch und Mathematik schlechter als in Bremen. Ob Lesekompetenz, Orthografie, Textverständnis, räumliches Denken, Mustererkennung oder einfaches Rechnen: In jedem einzelnen überprüften Bereich haben die hiesigen Grundschüler die rote Laterne. Das ist das Ergebnis des gestern vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) der Humboldt-Universität vorgestellte Untersuchung „Bildungstrends 2016“.
Im Auftrag der Kultusministerkonferenz soll mit der Vergleichsstudie überprüft werden, ob die Grundschüler am Ende der vierten Klassen tatsächlich können, was sie laut Bildungsstandards können sollen. Dafür mussten rund 30 000 Schüler aus über 1500 Schulen in ganz Deutschland umfangreiche Deutsch- und Mathetests absolvieren. Aus Bremen haben aus dem Schuljahr 2015/2016 rund 1900 von über 5400 Grundschülern daran teilgenommen. Das ist im Ländervergleich eine sehr hohe Quote. In Niedersachsen waren es nur rund 1500 von insgesamt über 74 000 Grundschülern.
Bei der Mathematik ähnlich
Um so aussagekräftiger dürften die alarmierenden Bremer Ergebnisse sein. Bei der Rechtschreibung erreichten zum Beispiel 68 Prozent der getesteten Schüler das Klassenziel nicht. In Niedersachsen erreichten 54,3 Prozent nicht den Regelstandard, für ganz Deutschland liegt der Wert bei 44,8 Prozent. Am besten schnitten bei der Orthografie die Länder Sachsen und Bayern ab. Aber auch hier verfehlten jeweils gut 33 Prozent die vorgegebenen Leistungsziele.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Mathematik. In Bremen blieben 58,6 Prozent der getesteten Viertklässler unter den Regelstandards, in Niedersachsen waren es 42,3 Prozent, in ganz Deutschland 37,8 Prozent. Auch bei diesen Aufgaben schnitten die Grundschüler aus Sachsen und Bayern wieder am besten ab, wenngleich hier ebenfalls rund jeder Vierte die Regelstandards nicht erfüllen konnte. Im Vergleich zum Jahr 2011, in dem die Deutsch- und Mathefähigkeiten der deutschen Viertklässler zum ersten Mal vom IQB bundesweit vergleichbar untersucht wurden, hat sich das Leistungsniveau noch einmal gesenkt. Bremen war seinerzeit schon das Schlusslicht und hat diese Stellung jetzt ausgebaut.
Keine Verbindung zu den sozialen Randbedingungen
Von einem „dramatischen Ergebnis für Bremen“ spricht selbst Bildungssenatorin Dr. Claudia Bogedan. „Unsere bisherigen Maßnahmen haben offensichtlich nicht gegriffen“, stellt sie fest. Allerdings zeigt sie sich nicht überrascht von der Studie und verweist auf den bereits erkennbar erhöhten Bildungsetat. Bereits in der jüngsten Sitzung der Bildungsdeputation Anfang September habe man außerdem das Konzeptpapier einer „Qualitätsoffensive für Bildung“ vorgelegt. Darin wird etwa die Ausweitung der Sprachförderung von 38 auf alle insgesamt 74 Bremer Grundschulen angekündigt.
Bogedan kritisiert die Vergleichsstudie zugleich als Momentaufnahme, die nicht erkläre, warum sich die Ergebnisse so flächendeckend verschlechtert hätten. Zwar heißt es dort, die Bedingungen an Grund- und Förderschulen hätten sich im Hinblick auf die Zusammensetzung der Schülerschaft geändert. Der Anteil der Viertklässlerinnen und Viertklässler mit Zuwanderungshintergrund liege heute in Deutschland beispielsweise bei etwa 34 Prozent und sei damit gegenüber 2011 um mehr als ein Drittel gestiegen. Für Bremen stellt die Studie aufgrund fehlender Daten jedoch keinen Zusammenhang zu dieser Entwicklung und den sozialen Randbedingungen her. „Das IQB hat sich bei der Datenerhebung leider darauf beschränkt, Fragebögen an die Eltern zu verteilen, und sah offenbar auch keinen Anlass, bei einem zu geringen Rücklauf nachzufassen“, sagt Bogedan.
Forderung nach einer verstärkten Sprachförderung
Nach ihrer Einschätzung sind die Rahmenbedingungen in keinem anderen Bundesland, auch in keinem anderen Stadtstaat, so schwierig wie in Bremen. So liege die Armutsgefährdungsquote der unter 18-Jährigen in Bremen bei 36,6 Prozent gegenüber einem Bundesdurchschnitt von gut 20 Prozent. Auch der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund liege mit 50,9 Prozent so hoch, wie in keinem anderen Bundesland.
Der bildungspolitische Sprecher der CDU, Thomas vom Bruch, spricht von einer „abgestürzten Bildungspolitik.“ Er sei es leid, dass der Senat seit Jahren reflexhaft auf die schwierige sozio-ökonomische Lage verweise. Vom Bruch fordert eine verstärkte individuelle Sprachförderung schon vor der Einschulung. „Wir brauchen dringend ein verpflichtendes kostenloses drittes Kindergartenjahr“, meint der Christdemokrat.
++ Dieser Artikel wurde am 13.10.2017 um 21.40 Uhr aktualisiert ++
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