Gastkommentar zum Wahlkampf-Thema Migration Erfahrungen des Kontrollverlusts an den Außengrenzen

Die Flüchtlingspolitik spaltet das für die CSU wichtige bürgerliche und katholische Milieu. Der Eindruck, „überrannt“ zu werden, nutzte vor allem der AfD, meint Gastautor Stefan Luft von der Universität Bremen.
14.10.2018, 20:44 Uhr
Lesedauer: 2 Min
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Von Stefan Luft

Das Wahlergebnis kann nicht überraschen, Umfragen zeigten es schon seit Wochen: Die Verluste der CSU sind dramatisch, die SPD ist zur Splitterpartei geschrumpft, die Grünen und die AfD sind die großen Gewinner. Für die CSU, die von 1966 bis 2008 Bayern allein regierte, ist das ein Debakel. Es erinnert an die Verluste unter dem – wie Söder – fränkischen und protestantischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein bei den Wahlen 2008.

Die Ursachen sind vielfältig. Der politische Umgang der deutschen Bundesregierung mit der Flüchtlingskrise 2015 gehört jedenfalls zu den zentralen Ursachen der Verschiebungen im Parteiensystem. Kein anderes Thema polarisiert die Gesellschaft so stark. Die Erfahrungen des Kontrollverlusts an den deutschen Außengrenzen hat die CSU und Bayern mehrfach getroffen: Fast alle Fluchtmigranten kamen über die bayerischen Grenzen nach Deutschland. Der Eindruck, „überrannt“ zu werden, hat in CSU-Kernregionen wie Nieder- und Oberbayern nachhaltig gewirkt und zum Erfolg der AfD (deren Wähler allerdings nur zu weniger als einem Drittel von der CSU kommen) wesentlich beigetragen.

Hinzu kommt, dass die bayerische „Staatspartei“ CSU damit konfrontiert wurde, dass selbst sie nur eingeschränkten Einfluss auf die Verhältnisse in Bayern hatte: Der Bund war und ist für die Grenzsicherung verantwortlich – darüber kann auch die Schaffung einer bayerischen Grenzpolizei nicht hinwegtäuschen. Der Versuch Horst Seehofers, als Bundesinnenminister einen grundlegenden Kurswechsel der Grenzpolitik einzuleiten, hatte im Frühjahr dieses Jahres fast zur Trennung von CDU und CSU geführt. Er war ihm von den Medien als parteipolitisch motivierte Rache an Angela Merkel ausgelegt und von den Wählern entsprechend negativ wahrgenommen worden. Schließlich: Die Flüchtlingspolitik spaltet das für die CSU wichtige bürgerliche und katholische Milieu.

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Was bleibt? Gegen die CSU wird in Bayern keine Regierung gebildet werden können. Sie wird auch in Zukunft den Ministerpräsidenten stellen. Das mag manchen kurzfristig über die Niederlage hinwegtrösten. Mittelfristig zählt anderes: Das Verhältnis von CDU und CSU kann als weitgehend zerrüttet bezeichnet werden – die jüngsten Angriffe der CDU-Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und Hessens auf die CSU sind deutliche Hinweise darauf. Das bürgerlich-konservative Lager ist nachhaltig geschwächt. Die SPD rangiert bundesweit inzwischen knapp hinter oder knapp vor der AfD. Für die politische Stabilität sind dies keine guten Aussichten.

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Zur Person

Unser Gastautor

ist Privatdozent und Migrationsforscher an der Universität Bremen. Zuvor war er Sprecher der CDU-Senatoren Borttscheller und Perschau. Luft stammt aus dem fränkischen Coburg.

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