Die Ampelregierung verspricht 400.000 neue Wohnungen im Jahr, davon 100.000 Sozialwohnungen. SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz will dafür „den Bauprozess beschleunigen“ und in Serie bauen. Gut und machbar? Wer mit dem Bauunternehmer Ernst Böhm spricht, glaubt zunächst: nein. Und ist erstaunt. Böhms B&O Gruppe mit Sitz im oberbayerischen Bad Aibling hat 2400 Mitarbeiter und baut 1000 Wohnungen im Jahr – deutschlandweit. Einfacher, schneller, effizienter zu bauen – das geht seiner Meinung nach. Auch klimafreundlicher.
Böhms Vorschlag: „Bebauen Sie die Parkplätze der Edekas und Lidls, der 12.000 Supermärkte in Deutschland oder die an S-Bahnhöfen oder Sportplätzen.“ Das seien bereits versiegelte, erschlossene Grundstücke, da gehe es schneller, die Genehmigung, das Bürokratische – billiger seien sie zudem. Er habe damit „gute Erfahrungen“ gemacht. Im hochpreisigen Stadtteil Gern im Bezirk Neuhausen-Nymphenburg in München hat er für die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag über dem Parkplatz eines Schwimmbads schon vor fünf Jahren in nur zwölf Monaten Sozialwohnungen gebaut: „Dante I“ heißt der lang gestreckte Bau, grau-blaue Holzfassade, dunkelrot gerahmte Fenster, der auf einer aufgeständerten Betonplatte steht, also auf Stelzen.
Außer dort, wo das Treppenhaus ist, sind die Parkplätze geblieben. Nur liegen darüber jetzt vier Stockwerke mit 86 Einzimmerwohnungen mit bis zu 30 Quadratmetern und 14 Wohnungen mit zweieinhalb Zimmern mit 50 Quadratmetern. Auf dem Dach: Eine Terrasse mit Grün und Spielplatz. Die Kaltmiete: 9,40 Euro je Quadratmeter. In München liegt sie im Schnitt bei gut 17,30 Euro. Die Wohnungen sind gefördert. Das ist das eine. Der effizientere und damit günstigere Bauprozess das andere. Dante I besteht aus klimafreundlichen Holzmodulen, die in der Fabrik gefertigt und dann auf der Baustelle zusammengesetzt wurden.
Böhm macht für das Bauen in Serie zwei Herangehensweisen aus: „2 D und 3 D“. Dante I ist 2 D. Wände werden vorproduziert und dann zu Zimmern und Wohnungen zusammengesetzt. Bei 3 D hat jeder Raum dieselbe Form. Das sei weniger für Wohnhäuser gedacht, eher für Büros, Hotels, Bundeswehrkasernen, erläutert Böhm. Als Baustoff eigne sich bei beiden Prinzipien am besten Holz, denn Zement sei schwerer zu transportieren, er bekomme leichter Risse. Vorausgesetzt es gibt genügend nachhaltig produziertes Holz, könnte das eine Chance für mehr Klimaschutz werden. Die Herstellung von Zement ist energieintensiv, verursacht viele CO2-Emissionen. Eintönig müsse es jedenfalls nicht werden, betont der Bauunternehmer. Es hänge immer von der Planung ab.
Beispiel Luisenblock in Berlin
Bestes Beispiel seien die 400 neuen Büros, die der Bundestag in Berlin jetzt bekomme – der siebengeschossige „Luisenblock West“. Für ihn sind vorgefertigte Holzmodule per Kran aufeinander gestapelt worden. Das verantwortliche Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton entwarf eine farbige Fassade aus recyceltem Aluminiumblech. Die Kosten hielten die Bauleute ein, die Planungs- und Bauzeit von 20 Monaten unterschritten sie sogar um vier Wochen. Es ist das Prinzip Baukasten, ausgeklügelter als bisher etwa für Fertighäuser.
Einen „Industrialisierungsprozess, den anderes Handwerk längst durchlaufen hat“, nennt das Florian Pronold. Er hat das Bauen als parlamentarischer Staatssekretär der SPD im Bundesumweltministerium einst selbst verantwortet, beobachtet den Markt immer noch besonders gut. Bleiben die Handwerker nicht auf der Strecke? Nein, sagt er, „die fehlen ja eher.“ Tatsächlich sucht auch Ernst Böhm derzeit Leute.
Der deutsche Immobilienmarkt sei ein „Hotspot“, meint Pronold, im internationalen Vergleich „eher günstig“. Das ziehe Investoren an, darum würden auch viele neue Häuser gebaut. Für viele unbezahlbar. Der Stil: eher billig. „Wenn in 500 Jahren Archäologen auf die Bauten stoßen, die derzeit empor wachsen, dann werden sie denken, wir seien ein kriegerisches Volk gewesen“, sagt Pronold. „Das sind vielfach grobe Betonklötze mit tausenden Fenstern, die wie Schießscharten aussehen.“ Die Käufer aber seien mittlerweile bereit, „das Sechzigfache der Jahresnettokaltmiete für eine Wohnung zu zahlen, statt wie vor gut 15 Jahren noch das Zwölffache“. Denn sie setzten auf Wertsteigerungen, etwa durch höhere Mieten. Bezahlbare Wohnungen in Serie zu bauen mache nichts trister – im Gegenteil.
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