Die Aussichten für die CSU bei der Landtagswahl: eine gute, eine weniger schlimme und zwei katastrophale Varianten. Am kommenden Sonntag ist vieles anders als früher. So geht man auch in der jahrzehntelang allein regierenden CSU mittlerweile davon aus, dass eine absolute Mehrheit nicht mehr drin ist. Daher werden – selbstverständlich nur hinter vorgehaltener Hand – schon Diskussionen geführt, die üblicherweise erst nach Schließung der Wahlkabinen stattfinden.
Verschiedene Szenarien werden durchgespielt. Am einfachsten ist es bei Variante „absolute Mehrheit“: Dann dürfen sich alle Christsozialen als Sieger fühlen, sich auf die Schultern klopfen und jeder behält seinen Posten. Doch wahrscheinlich ist diese Variante nicht. Eher schon Variante Zwei, der „kleine Denkzettel“: Die CSU verliert die absolute Mehrheit, bleibt aber stark genug, um wie von ihr gewünscht mit den ihr nahe stehenden Freien Wählern eine Koalition eingehen zu können. Folgen: Ein wenig Jammern und Wehklagen wird in der CSU erschallen, aber im Wesentlichen wird es doch Erleichterung darüber geben, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist.
Die letzten Meinungsumfrage freilich lassen eher die Variante Drei erwarten, der „große Denkzettel“: Die CSU rutscht so weit unter die 40-Prozent-Marke, dass die Freien Wähler mit ihren erwarteten zehn Prozent auch nicht mehr für eine Mehrheit im Landtag ausreichen. Dann müsste Regierungschef und Spitzenkandidat Markus Söder in den ziemlich sauren Apfel beißen und entweder eine Dreier-Koalition mit den Kandidaten Freie Wähler, SPD oder FDP schmieden oder eine Zweierkoalition mit den bis auf 18 Prozent erstarkten Grünen, die den Christsozialen aber am unsympathischsten sind.
Und dann gibt es noch die Variante Vier: „Worst Case“ oder auch „Untergang des weiß-blauen Abendlandes“ genannt. Die CSU verliert so stark, dass die Oppositionsparteien Grüne, SPD, Freie Wähler und FDP eine Viererkoalition bilden können. Reine Fantasie ist das nach einer Erhebung, welche die CSU nur noch bei 33 Prozent zeigte, nicht. Söder und der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Thomas Kreuzer, nehmen diese Option durchaus ernst. Kreuzer warnte ausdrücklich vor einem „bunten Experiment“ – von anderen „Tuttifrutti“ genannt.
Im Falle der Varianten Drei bis Vier wären die Tage von Bundesinnenminister Horst Seehofer als Parteichef wohl gezählt. Einige meinen, sie sind es jetzt schon. Die unmissverständlichen Hinweise Söders auf die Verantwortung für den demoskopischen Niedergang seiner Partei werden wohl von den meisten, die in der CSU auch nur ein bisschen das Sagen haben, geteilt: Seehofers war‘s und er wird‘s gewesen sein. Dessen Einlassung, er habe sich in Söders Wahlkampf nicht eingemischt, wird eher kritisch gesehen.
Basis wird bei historischer Niederlage aufbegehren
Die Ansicht, dass Seehofer mit seiner Amtsführung in Berlin etliche Nägel auf dem Sarg der absoluten CSU-Mehrheit in Bayern platziert hat, hat sich inzwischen in der Partei in einem geradezu unglaublichen Maße verfestigt. Wie die Stimmung ist, hat sich in einer CSU-Parteivorstandssitzung vor einer Woche gezeigt: Kaum hatte Seehofer die Sitzung verlassen, ging der Tumult auch schon los und die Kritiker meldeten sich zu Wort. Wenn die CSU tatsächlich mit 35 Prozent oder weniger eine historische Niederlage einfährt, werde die Basis aufbegehren, sagt ein Mann aus dem Parteivorstand. Was dann komme, sei „unkalkulierbar“.
Und Söder? Den Ministerpräsidenten, der erst nach langem Zögern das Amt von Seehofer übernehmen konnte, kann wohl so schnell nichts umblasen, auch nicht ein ganz mieses Wahlergebnis. Wie weiland Seehofer, so schützt auch ihn die Alternativlosigkeit, sagt Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter: „Das Feld potenzieller Ministerpräsidenten-Kandidaten ist leer geräumt.“ Söders Einschätzung, dass die Grundlage für den drohenden Misserfolg in Berlin gelegt worden sei, wird in der Partei ohnehin weitgehend geteilt. Ganz außer Gefahr aber sei auch Söder nicht, meint Oberreuter: „Bei einem Ergebnis knapp über der 30-Prozent-Grenze müsste Söder eigentlich auch weichen.“
Soweit scheint gedanklich schon vieles geregelt, fehlt nur noch ein Nachfolger von Seehofer – der natürlich nicht weichen will – im Amt des Parteivorsitzenden. Söder könnte es machen, aber als heißere Kandidaten werden Landesgruppenvorsitzender Alexander Dobrindt und Parteivize und Europapolitiker Manfred Weber genannt. Frei von sonstigen Sachzwängen würde in der Partei wohl das Pendel zugunsten Webers ausschlagen.
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