Berlin. Es war eine Absage in letzter Minute, eine höchst ungewöhnliche Angelegenheit: Nur anderthalb Stunden vor dem geplanten Abflug cancelte die Bundesregierung am Montag den Flug von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Algerien. Eine Krise in der Bundesregierung? Nichts dergleichen, versichert Regierungssprecher Steffen Seibert: „Die algerische Regierung hat kurzfristig um Verschiebung gebeten, die Bundeskanzlerin ist dem Wunsch nachgekommen.“ Das algerische Präsidialamt bestätigt diese Version: Die entzündeten Bronchien des 79-jährigen Staatspräsidenten sind demnach der Grund für die Reiseabsage.
Das mag durchaus stimmen. Es ist schließlich eher unwahrscheinlich, dass Algerien es ansonsten auf sich nehmen würde, eine deutsche Regierungskrise zu vertuschen. Und Präsident Abdelaziz Bouteflika ist nach mehreren Schlaganfällen ohnehin sehr gebrechlich. Er sitzt im Rollstuhl, tritt kaum noch öffentlich auf. Im Amt ist er weiterhin, da seine Nachfolge nicht geklärt ist. Eine Art Stabilitätsgarant in einem fragilen, von einer schweren Wirtschaftskrise bestimmten Land ist er für die einen. Eine willenlose Marionette sehen andere in ihm.
Merkel jedenfalls sollte Bouteflika offenbar unbedingt treffen. Ein Gespräch alleine mit Premierminister Abdelmalek Sellal, das auch geplant war, kam für Algerien offenbar nicht in Frage. Zudem wollte die Kanzlerin während ihres zweitägigen Besuchs Vertreter der Zivilgesellschaft treffen, ein Wirtschaftsforum eröffnen und eine Schule und die katholische Wallfahrtskirche „Unserer Lieben Frau von Afrika“ besuchen.
Ziel: Flüchtlingseindämmung
Die Reise sollte auch ein Signal sein. Im Bemühen, die Flüchtlingszuzug nach Europa einzudämmen, reist Merkel derzeit in zahlreiche afrikanische Länder. In der kommenden Woche wird die Kanzlerin in Tunesien und Ägypten erwartet. Vor wenigen Monaten warb sie in den Flüchtlings-Transit-Ländern Mali und Niger um Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik.
Dabei geht es neben Entwicklungshilfe immer auch darum, abgeschobene Asylbewerber möglichst schnell wieder zurückzunehmen. Der Unions-Teil der Bundesregierung will darüber hinaus trotz Bedenken von Menschenrechtsorganisationen Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklären, für deren Bewohner es dann ein beschleunigteres Asylverfahren gibt.
Eine andere Reise findet zum gleichen Zeitpunkt auch nicht statt: Bundesaußenminister Sigmar Gabriel verschob seine für Montag und Dienstag geplanten Besuch in Schweden und im Baltikum – ebenfalls aus Gesundheitsgründen. Sollten die Kanzlerin und ihr Vize tatsächlich zufällig gleichzeitig nicht reisen, sie hätten unversehens etwas Zeit füreinander. Und eine Krise oder ein Problem, die oder das zu lösen ist, lässt sich sicher finden.
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