Auf dem zentralen Rabin-Platz in Tel Aviv steht ein riesiges weißes Zelt. Im Minutentakt können dort Bürger gegen das Coronavirus geimpft werden – als Hilfestellung für überlastete Krankenkassen. Seit dem 19. Dezember läuft in Israel eine massive Impfkampagne. Auf anfängliche Skepsis vieler gegen die Impfung folgte ein enormer Ansturm auf die Impfstationen.
In keinem anderen Land wird nach Informationen von Oxford-Forschern so schnell gegen Corona geimpft wie in Israel. Eine Grafik auf der Website „Our World in Data“ vergleicht verschiedene Staaten nach der Zahl der verabreichten Dosen pro 100 Einwohner. Dort hatte Israel am Sonntag mit 12,59 Dosen je 100 Einwohner klar die Nase vorn – wenn auch nicht in absoluten Zahlen, denn da führen China und die USA. Wie schafft das kleine Land Israel ein so rasantes Tempo?
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Israel bereits zum „Corona-Impfweltmeister“ erklärt. Sehr früh hatte er den Wettlauf um den Corona-Impfstoff zur Chefsache gemacht. Immer wieder telefonierte Netanjahu etwa mit Pfizer-Chef Albert Bourla, um Millionen von Impfdosen für sein Land zu sichern. Als der 71-Jährige sich als Erster mit dem Biontech-Pfizer-Impfstoff impfen ließ, sagte er, Bourla sei inzwischen „ein persönlicher Freund von mir und ein Riesenfreund des Staates Israel“. Der Regierungschef hatte früher gesagt, Bourla sei sehr stolz auf seine jüdisch-griechische Abstammung.
Nach Angaben Netanjahus hat Israel mit Pfizer die Lieferung von acht Millionen Impfdosen und mit Moderna von sechs Millionen Impfdosen vereinbart. Modernas Medizinvorstand Dr. Tal Zaks ist Israeli, er hat in der Wüstenstadt Beerscheva studiert. Millionen Impfdosen sind nach Medienberichten schon im Land – die genaue Zahl wird geheim gehalten. Als die ersten Dosen von Biontech-Pfizer am 9. Dezember in Israel landeten, nahm Netanjahu sie persönlich am Flughafen in Empfang. „Es ist nicht selbstverständlich, dass der Staat Israel mit seinen neun Millionen Einwohnern den Impfstoff zur selben Zeit bekommt wie Großbritannien und die führenden Länder der Welt“, sagte er damals.
Arnon Afek, Vize-Direktor des Schiba- Krankenhauses bei Tel Aviv, sieht verschiedene Gründe für den besonders erfolgreichen Ablauf der Impfkampagne in Israel. „Erstens haben wir ein sehr starkes öffentliches Gesundheitssystem, mit Krankenversicherung für alle Bürger“, sagt er. Das Modell basiere auf dem deutschen System, mit Krankenkassen und Krankenhäusern. „Die deutschen Juden, die nach Israel emigrierten, haben es mitgebracht und hier eingerichtet.“ Außerdem sei Israel ein hochtechnologisches Land mit weltweit führender medizinischer Ausrüstung und ausgezeichneten Lagerungsmöglichkeiten für den Impfstoff. Zudem seien die Israelis ein sehr engagiertes, wendiges Volk, das schnell und effektiv auf Krisensituationen reagieren könne. Viele Krankenschwestern blieben nach Dienstende freiwillig für eine weitere Schicht. „Alle sind gemeinsam in den Krieg gezogen – den Krieg gegen das Coronavirus.“
Mit einer Million ist die Zahl der bislang in Israel gegen Corona Geimpften bereits mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der Menschen, die sich seit Beginn der Pandemie infiziert haben (mehr als 428.000).
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