Wenn ein Linker und ein Konservativer in ihren Befunden gleichermaßen recht haben, ist das eine schizophrene Situation. Thüringens linker Regierungschef hat bei deutlich gestiegener Wahlbeteiligung das Ergebnis seiner Partei noch einmal verbessert und eindeutig die meisten Stimmen eingefahren – das ist ein klarer Regierungsauftrag für Bodo Ramelow. Aber seine linke Mehrheit im Erfurter Landtag ist eben trotzdem weg.
Allerdings hat die CDU davon bloß die Qual nach der Wahl. Ihr Spitzenmann Mike Mohring hat nur einen jämmerlichen dritten Platz geholt, hinter der in Thüringen besonders radikalen AfD. Da auch SPD und Grüne dürftig blieben, ist sein Traum vom Viererbündnis inklusive FDP geplatzt. „Simbabwe“ bleibt in weiter Ferne. Mohring hat zudem ein Bündnis mit dem Rechtsaußen Björn Höcke ausgeschlossen. Also muss er jetzt Ramelow helfen, ob er will oder nicht. Gegen die Linke geht nichts, wenn man die Rechte isolieren will.
Koalition oder ein "Weiter so"
Mohring kann direkt mit Ramelow koalieren oder ein „Weiter so“ von dessen bisherigem Bündnis tolerieren. Die erste Option hat zwei Vorteile: eine sehr stabile Mehrheit der Mandate und ein paar Ministerposten für die CDU, einer davon natürlich für Mohring. Inhaltlich wäre jedoch die Zerreißprobe absehbar, inklusive eines womöglich noch schwächeren Ergebnisses in fünf Jahren.
Also doch die Duldung. Die CDU bliebe unabhängiger und im Grunde auch mächtiger, wenn sie projektbezogen den Daumen heben oder senken könnte. Der kleine Wahlsieger FDP hat das sofort begriffen: Spitzenkandidat Thomas Kemmerich spricht von der „Neugeburt einer parlamentarischen Demokratie“. Eine mögliche Therapie für die Thüringer Schizophrenie.