„Motschi, Motschi, Motschi“ – die Christdemokraten, die sich am Sonntagabend zur Wahlparty im Lloydhof versammelt hatten, wollten gar nicht aufhören, den Kosenamen ihrer Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann zu skandieren. Sie war gerade auf die Bühne gekommen, um zu den Parteimitgliedern zu sprechen – aber es ging nicht. Es waren auch nicht allein die lauten „Motschi, Motschi, Motschi“-Rufe, die dafür sorgten, dass die Bundestagsabgeordnete unter anderem ihren Dank an die Unterstützung der Partei im Wahlkampf nicht gleich loswerden konnte. Auch das rhythmische Klatschen wollte kein Ende nehmen, als Motschmann kurz nach 18 Uhr eintraf. Minutenlang demonstrierten die Christdemokraten ihre Begeisterung, und es konnte der Eindruck aufkommen: Viele waren fast noch glücklicher über das Abrutschen der SPD als den Zugewinn der CDU.
„Danke, danke, danke“. Das waren die ersten Worte, die Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann loswerden konnte, als sich im Saal der Stimmungsausbruch mit der Mischung aus Klatschen und Hochrufen etwas beruhigte. Die Christdemokratin dankte für die Flankierung der Parteimitglieder im Wahlkampf und hob zwei Personen heraus, die mit ihr auf die Bühne gekommen waren. An ihrer Seite rechts: ihr Ehemann Jens Motschmann. An ihrer Seite links: der christdemokratische Landesvorsitzende Jörg Kastendiek. „Wir haben gewonnen,“ rief sie dann den Zuhörern im Lloydhof zu. Und schon wieder konnte sie nicht sprechen, denn Jubel brach aus. Erneut dauerte es länger, bis sie weitersprechen konnte. „Rot-Grün haben die Wähler abgestraft – sie wollen nicht länger von dieser Truppe regiert werden.“ Wieder gab es lauten und langen Beifall. Schließlich fasste sie zusammen, dass die CDU ihre Ziele erreicht hat: „Wir wollten zweitstärkste Partei werden – was sind wir geworden? Zweitstärkste Partei!“ Die Christdemokraten hätten dies geschafft, weil sie „selbstbewusst, gut gelaunt und geschlossen“ aufgetreten seien. Auch damit hatte sie den Nerv der Zuhörer getroffen.
Im Lloydhof ging es am Wahlabend alles andere als farblos zu. Elisabeth Motschmann trug dazu bei, dass ringsum eifrig kommentiert wurde. Denn sie hatte eine Kombination gewählt, die zu einer Regierungsbeteiligung und damit zu einer Koalition der CDU mit der SPD passte: Die Spitzenkandidatin trug ein rotes Kleid und darüber einen schwarzen Blazer.
Die Räume im Lloydhof waren in den Parteifarben der CDU dekoriert. Die Bistrotische, an denen Wasser und Wein getrunken wurde, waren mit orangefarbenem Tuch bezogen. Am Büfett mit Flammkuchen und Wurst lagen auf den weißen Tischdecken stapelweise Servietten parat – alle in Orange. Daneben standen Blumenvasen, darin Pflanzen in den Farben Orange und Weiß. An den Decken hingen große Papierbälle, farbig, einige in Orange, einige in Weiß. Die Wände waren für die Wahlparty ebenfalls parteipolitisch zurechtgemacht worden. Dutzendweise waren Fotos angebracht, die unappetitliche Szenen aus der Stadt zeigten. Orangefarbene Pfeile mit der Aufschrift „Das geht besser“ zeigten beispielsweise auf Müllstapel auf den Straßen oder Schlaglöcher.
Bevor die Spitzenkandidatin genau 14 Minuten nach der ersten Fernsehprognose in den Lloydhof kam, standen die meisten noch draußen – um der vielen Scheinwerfer im Saal zu entgehen und bei frischer Luft noch zu klönen. Es breitete sich schon wie ein Lauffeuer aus, als eine gute Stunde vor 18 Uhr die Ersten kamen und berichteten, dass sich nach den Umfragen die rot-grüne Koalition voraussichtlich „eine Klatsche“ abholen würde. Diese Vokabel benutzten – unter anderem – auch der christdemokratische Bürgerschaftsabgeordnete Frank Imhoff, im „zivilen“ Beruf Landwirt im Niedervieland. Er war ganz in Vorfreude auf ein gutes Ergebnis für die CDU und ein schlechtes für die SPD und ihren grünen Regierungspartner. Denn ein Weiter-so, das betonte er, dürfe es in der Hansestadt nicht geben. Sein Kommentar in Plauderlaune: „Sonst kann man bald Nordkorea, Kuba und Bremen in einem Atemzug nennen.“ Das Niedervieland werde aber Widerstand leisten . . .
Im Saal postierten sich rund eine halbe Stunde vor der Ankunft der Spitzenkandidatin Motschmann die Kameraleute und Beleuchter, die dafür sorgen wollten, dass die christdemokratische Hauptperson des Abends dann für die Interviews in das richtige Licht gerückt werden konnte. Wulf Schmiese vom ZDF beispielsweise war unterwegs, um sich Gesprächspartner für die Minuten gleich nach der ersten Prognose zu sichern. „Könnten wir dann gleich ein Interview machen?“ erkundigte er sich bei Jens Eckhoff, dem ehemaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden, ehemaligen Bausenator und künftigen Bürgerschaftsabgeordneten. Dass der um eine Kommentierung nicht verlegen war, bewies er unmittelbar nach der Ausstrahlung der ersten Prognose. „Das ist eine historische Niederlage für die SPD“, legte Eckhoff los, „der sozialdemokratische Regierungschef Jens Böhrnsen ist bei den Prozentpunkten nun dort unten angelangt, wo der SPD-Regierungschef Klaus Wedemeier schon einmal war.“ Oft gefragt waren sofort nach 18 Uhr zudem der Landesvorsitzende Jörg Kastendiek, aber auch der christdemokratische Innenpolitiker Wilhelm Hinners. Beide wiesen darauf hin, dass die Christdemokraten die Grünen nach 2011 nun überholt hätten und damit in Bremen nach der SPD wieder an zweiter Stelle stünden.
Dann kam Elisabeth Motschmann. Alle Blicke richteten sich nur noch auf sie. Die Spitzenkandidatin musste sich im Saal durch die gratulierenden Menschentrauben kämpfen, die sofort in Jubel ausbrachen: „Motschi, Motschi. Motschi!“
Geburtstag am Wahltag
◼ Der frühere CDU-Abgeordnete Heinz-Hermann Hoffhenke, der diesmal erneut für einen Sitz im Beirat Hemelingen kandidierte, hatte am Sonntag allen Grund zum Feiern. Ein Grund war das Wiedersehen mit vielen Christdemokraten, die nicht regelmäßig zusammenkommen, am Tag der Bürgerschaftswahl aber schon. Dass er am Lloydhof so strahlte, lag aber nicht nur daran – und auch nicht an den Prozentpunkten, die der CDU tagsüber von den Bremerinnen und Bremern beschert worden waren. Das beflügelte gewiss seine Stimmung, aber vor allem genoss er vorab das viele Händeschütteln: Heinz-Hermann Hoffhenke hatte seinen Geburtstag gut gewählt: er wurde 75 Jahre, am Wahltag.
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